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Kommentar Venezuelas ProvokateurChávez ist nicht durchgeknallt

Kommentar von Gerhard Dilger

Mit seiner Lust an der Polemik gelingt es Chávez oft, die eigentlichen Themen überhaupt erst in die Medien zu bringen. Diesmal ist es seine Alternative zum Neoliberalismus á la Merkel.

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11 Kommentare

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  • T
    T.K.

    @ J.B. :

    Ein sehr guter Buchtipp zu diesem Thema ist John Perkins "Confessions of an Economic Hit Man".

    Der Autor beschreibt seine Karriere als Economic Hit Man (EHM) bei einer großen amerikanischen Baufirma. solPerkins lte in Ländern wie Indonesien, Saudi-Arabien und Panama reisen und dort Prognosen für das potentielle Wirtschaftswachstum dieser Länder entwerfen. Die USA drückten dem jeweiligen Land hohe Kredite versteckt als Entwicklungshilfe auf, mit der Bedingung, dass amerikanische Firmen Bauaufträge erhalten, zum Beispiel zur Schaffung einer Mülldeponie in Saudi-Arabien.

    Diese Industrialisierung half oft nur einer Elite von Machthabern zu Reichtum und führte für die Mehrheit der Bevölkerung zu noch mehr Armut.

    Zusätzlich waren die Kredite + Zinsen so hoch, dass die Länder diese nie zurückzahlen konnten. Somit hielt die USA ein wichtiges Druckmittel in der Hand, um UN Stimmen, militärische Hilfe, oder wichtige nationale Ressourcen der Schuldnerländer einfordern zu können.

    So wurde nach dem Zweiten Weltkrieg ein neues "Global Empire" (Perkins) geschaffen.

  • J
    J.B.

    Ich möchte noch anmerken, dass ich die Art und Weise, wie Chavez sein Amt ausübt nicht unterstützenswert finde, da sie zum Teil einer Diktatur gleichen. Es ist auch wichtig, derartiges anzusprechen und nicht zu verschweigen.

    Ich kritisiere aber, dass die meisten Zeitungen sich wie wild auf Chavez stürzen, sich aber nicht wie wild auf die fatalen Auswirkungen der EU-Politik stürzen.

    Die Prioritäten sitzen einfach falsch.

    Auf diese Weise findet eine Meinungsmache und Manipulation statt. Noam Chomsky bezeichnete dies als "manufacture of consent" (Herstellung von Konsens).

  • J
    J.B.

    Chavez ist einfach ein Polemiker.

    Das eigentliche Problem liegt aber ganz woanders und es ist Schade, dass man sich jetzt wieder tausendmal über Chavez unterhält, aber nicht über das eigentliche Problem.

    Lateinamerika und Afrika sind die beiden Kontinente, die unter dem Neoliberalismus der EU und der USA besonder leiden.

    In Afrika wurde sogenannte EPAs beschlossen und es kann gut sein, dass Ähnliches in Lateinamerika auch geschehen kann. Die ganzen Akommen ermöglichen es, europäischen Unternehmen in Afrika und Lateinamerika zu wirtschaften, da aber afrikanische und auch lateinamerikanische Unternehmen meist klein sind und nicht mit den großen in den Wettbewerb treten können, werden sie kaputt gehen. Hinzu kommt, dass oft gefordert wird, dass man die Wasserversorgung, die Bildung, etc. privatisiert. In Kenia zum Beispiel gehört das Telekommunikationsnetz der France Telecom. Die Wasserversorgung von Kenia und Berlin wird von dem gleichen Unternehmen betrieben, dass natürlich Gewinn maximieren will. In Berlin ist es z.B. so, wenn das Unternehmen (Veolia) nicht genug Geld erwirtschaftet, dann muss die Kommune dafür sorgen, dass das Unternehmen Gewinn macht und seinen Teil des Gewinns abgebene. Das Ganze ist in einen geheimen Vertrag geregelt, der für die Öffetlichkeit nicht zugänglich ist und man daher nicht dagegegen vorgehen kann.

    Fakt ist: Großunternehmen werden weltweit subventioniert, kaufen sich Patente und agieren fast monopolartig. Hinzu kommt, dass sie Lehrstellen an den Unis besitzen, wo dann Studierende ausgebildet werden, die in ihrem Interesse später arbeiten.

    3 europäische Unternehmen besitzen 2/3 des Wassers auf der Erde. Das gleiche bei der Müllentsorgung. Da wurde es in Nairobi den Menschen verboten, ihren Müll selbst zu entsorgen und dafür im Dorf Menschen das Geld zu geben, sodass diese den Müll auf die Mülldeponie tragen. Ein Großunternehmen hat das alles aufgekauft und macht es jetzt selbst. Die Afrikaner, die es vorher gemacht haben, sind arbeitslos.

    Lateinamerika hat auch Angst vor solchen Agreements.

    Europäische und amerikanische Unternehemn sind so groß geworden, weil sie jahrzehnte lang von den eigenen Regierungen subventioniert wurden.

    Die Politik und die Wirtschaft ist nicht trennbar, wie es immer behauptet wird.

    Neoliberalismus heißt, dass die zwei stärksten Kontinente ihre Unternehmen subventioniert haben um sie jetzt auf die kleinen Kontinente loszulassen.

    In der Presse wird das dann immer mit Wörtern wie Freiheit, Privatisierung, Eigenverantwortung, Wettbewerb umschrieben.

    Fakt ist ab, dass das ganze unfrei ist, dass es keinen Wettbewerb gibt, da afrikanische und lateinamerikanische Unternehmen einfach zu schwach sind, etc...

    Ich fände es gut, wenn die taz über dieses Thema mal einen gut recherchierten Artikel bringen würde, als bloß Schlagzeilen über Chavez zu bringen, so wie es wahrscheinlich auch alle anderen Mainstream-Pressen tun. Auf diese Weise wird von dem eigtnlichen Thema abgelenkt.

    Das ist fatal.

  • J
    Jan

    @ Martin u.a.

    Also, man muss ja Chávez nicht lieben, wirklich nicht. Aber ihm Menschenrechtsverletzungen vorzuwerfen und den Besuch Angela Merkels beim geheimen Paramilitär-Chef Alvaro Uribe in Kolumbien gutzuheißen, ist schon mehr als zynisch. Ich finde zwar auch, dass Chávez keinen Ikonen-Status verdient hat. Aber wenn man ihn als Diktator usw. bezeichnet, sollte doch ein bisschen Blick in die Region erlaubt sein.

  • A
    Argo

    @Martin und @flowmo: vielen Dank, dem kann ich nur zustimmen! Ganz im Gegensatz zu dem Kommentar von Dilger, der geradezu schockierend verbraemt und 'erklaert' das Verhalten eines autokratisch agierenden Praesidenten, der bislang hauptsaechlich Wohltaten ankuendigte statt sie umzusetzen, und ganz nebenbei in Wahlbetrug, Menschenrechtsverletzungen und dergleichen verwickelt ist...

  • S
    Subhash

    Schön einen differenzierten Bericht zu diesem Thema zu lesen! Leider ist das ja selten möglich in den europäischen Medien. Die Mainstream-Berichterstattung erschöpft sich in lustigen, aber höchstens halbwahren Geschichten über Chávez. Wenn einem das Thema interessiert, empfehle ich daher Michael Zeuskes "Kleine Geschichte Venezuelas" zu lesen. Die geht sowohl auf die historischen Bedingungen, als auch auf den umstrittenen "Weg des Sozialismus des 21. Jhdts." ein.

  • M
    M.W.

    Es wäre aber viel dringender, anstatt so eine dämliche Politshow aufzuziehen, mit einem Kommentar in diesem Sinne aufzuwarten anstatt einfach irgentwelchen Provokationen den Rechten Wind in die Segel zu blasen. Merkel ist eben nicht faschistoïde, sie ist neoliberal! Dieser Unterschied sollte einem wie Chávez wichtiger sein als eine Medienpolemik.

    Denn solche Aussagen erschweren jede Debatte über Venezuela & co.(Godwin’s Law)

    just my 2 cents

  • M
    Martin

    Chavez darf nicht Stimme Lateinamerikas sein.

     

    Chavez ist ein autokratisch regierender Militär, der Redefreiheit und Oppositionsarbeit einschränkt. Einen solchen Rückfall in dunklere Tage kann Lateinamerika nicht wollen.

     

    Die Frage nach der Rolle des Staates ist natürlich berechtigt, weil es schlicht ein demokratisches Recht der Venezolaner ist, über ihr Wirtschaftssystem selbst zu entscheiden. Dabei ist es zunächst einmal egal, daß ein Petrosozialismus ein Ablaufdatum hat, da Öl nun wirklich keine Zukunftsindustrie ist. Es ist das Öl Venezuelas, also darf man sich dort auch gegen Nachhaltigkeit entscheiden.

     

    Dennoch ist gerade Chavez der falsche Mann, um diese Frage zu stellen. Wer Bush für den Patriot Act und die Einmischung in die Angelegenheiten von Nachbarländern kritisiert, muß auch auch Herrn General Chavez und dessen Kriegstreiberei in der Region abmahnen.

     

    Lateinamerika kann nur eine demokratische Zukunft haben, wenn sie sich der Potentaten wie Hugo entledigt. Ob diese Zukunft neosozialistisch oder neoliberal ist, soll jedes Land selbst entscheiden dürfen.

     

    In diesem Sinne muß man Merkel Recht geben.

  • R
    Robert

    Das Merkel nicht mit Hitler gleichzusetzen ist, weiß auch Chavez. Er stellt die christdemokratisch-christsoziale Partei nur in eine Tradition, die sie zweifellos hat:

     

    Die Union ist der inoffizielle Nachfolger des Zentrums, dass den Ermächtigungsgesetzen zugestimmt hat.

    Auch heute behaupten einige Christdemokraten, dass zum Beispiel ein Nazi wie Filbinger ein Widerstandskämpfer war.

     

    Offensichtlich haben wir noch mehr Parteien als die Linkspartei.PDS, die noch nicht ganz ihre Vergangenheit verarbeitet haben.

  • F
    flowmo

    das is ma schlüssig, ein präsident der die pressefreiheit einschränkt, studentenproteste niederknüppelt, die farc unterstützt etc. pp. den muss ma auch mal unterstützen, wenn er so schön unbequeme wahrheiten ausspricht, sagen sie mal herr autor, ihrer logik zufolge würden sie wohl auch eva hermmann wählen wenn diese sich zur wahl stellen würde, oder?

     

    bei aller berechtigten oder unberechtigten kritik am entfesselten kapitalismus, die unart sich jedem verbrecher bereitwillig an den hals zu werfen der sich in ein linkes mäntelchen hüllt, ist eine tradition der deutschen linken, die für mich nur schwer nachzuvollziehen ist.

  • S
    S.Rudolf

    Frau Merkel sollte sich erst einmal um die Probleme in Deutschland kümmern bevor sie in der Welt herum reist, Geld verschenkt und Rechte Regierungen hofiert!