Kommentar Vätermonate: Schäubles Armutszeugnis
Es scheint bloß ein Konflikt zwischen Sozialpolitik und Finanzen zu sein. Doch die Verlängerung der Vätermonate könnte das Leben von Paaren richtig verändern.
Auf den ersten Blick scheint es nur ein Konflikt zwischen Sozialpolitik und Finanzen zu sein. In Wirklichkeit jedoch geht es um einen tiefen Wandel in der Lebensorganisation von Paaren, wenn jetzt um eine Erweiterung des Elterngeldes gestritten wird. Nach dem Referentenentwurf aus dem Familienministerium soll es künftig vier statt zwei der sogenannten Vätermonate geben. Außerdem soll es länger möglich sein, dass beide Eltern gleichzeitig auf Teilzeit gehen und dabei Teilelterngeld beziehen - und dies gemeinsam bis zu 14 Monate lang. Bisher ist eine solch gleichberechtigte Arbeitsteilung unattraktiv, weil dadurch schon nach sieben gemeinsamen Monaten der Anspruch auf Elterngeld verbraucht ist.
Kämen die Neuerungen, die so schon im Koalitionsvertrag vereinbart waren, könnte dies also vieles verändern, auch in der Wirtschaft: Unternehmen wären damit konfrontiert, dass viele Väter nicht mehr nur zwei, sondern vier Monate abwesend sind. Ob man länger aussetzen kann, ohne Karriereoptionen einzubüßen, ist eine der ungeklärten Fragen der männlich dominierten Unternehmenskultur. Firmen müssten sich überdies damit abfinden, dass mehr Männer für ein gutes Jahr auf Teilzeit wechseln wollen, um sich mit der gleichfalls verkürzt arbeitenden Partnerin die Erziehungsaufgaben zu teilen. Die Erweiterung des Elterngeldes fördert eine neue Ökonomie in den Geschlechterrollen. Denn gerade in den kritischen Monaten nach der Geburt eines Kindes "traditionalisieren" sich bisher viele Paare, weil die Väter Überstunden kloppen und die Mütter im Job aussetzen.
Barbara Dribbusch ist Inlandsredakteurin der taz.
250 Millionen Euro würde das erweiterte Elterngeld zusätzlich kosten. Finanzminister Schäuble lehnt den Entwurf mit Verweis auf die verschuldete Staatskasse ab - ein Armutszeugnis im doppelten Sinne. Nun spricht man im Familienministerium über "Gegenfinanzierungen", also Einsparungen, durch die das Elterngeld finanziert werden kann. Das könnte noch heikel werden, wenn Sozialleistungen gegeneinander ausgespielt werden. An der Bedeutung des Entwurfs ändert dies jedoch nichts.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pressekonferenz in Mar-a-Lago
Trump träumt vom „Golf von Amerika“
Verkehrsranking
Das sind die Stau-Städte
Bürgergeld-Populismus der CDU
Die Neidreflexe bedient
Ende der Faktenchecks bei Meta-Diensten
Nicht abhauen!
Habeck-Werbung in München
Grüne Projektion
Forderungen von Donald Trump
5 Prozent Verteidigungsausgaben, 100 Prozent Ablehnung