Kommentar Urwahl der Konservativen: Frankreichs rechte Orientierungshilfe
François Fillon hat es zum Kandidaten geschafft, weil er klar rechts ist. Daraus kann die Gegenseite lernen. Die Linke muss sich nun zusammenraufen.
Frankreichs Rechte hat bei einer internen Kandidatenkür rechts gewählt. Et alors? Ist das ein Grund zur Aufregung? Der Sieg von François Fillon hat höchstens überrascht wegen seiner Person und Vorgeschichte. Aber dass das Pendel der politischen Stimmung im Lager der erklärten Gegner von Staatspräsident François Hollande und seiner Linksregierung kräftig nach rechts ausschlagen würde, das war zu erwarten.
Fillon jedenfalls hat die Ausgangslage richtig eingeschätzt. Er hat es verstanden, sich mit seinen religiösen Wertvorstellungen im Lager der Ultrakonservativen anzubiedern, denen die Legalisierung der Homoehe, die Abtreibung oder die kostenlose Verhütung und überhaupt alles, was in die Richtung Geschlechtergleichheit und antiklerikale Emanzipation ein Dorn im Auge ist. Diesen Revanchisten hat Fillon gesagt, sie dürften „ohne Komplexe“ zu ihren Ansichten stehen und sollten diese ohne Scham vertreten. Sie haben heute Aufwind. Fillon sagt ihnen, wo es lang geht.
In Frankreich, wo ein sozialistischer Präsident mit seiner Linksregierung eine „sozialliberale“ Reformen gegen den gewerkschaftlichen Widerstand durchgesetzt hat, wussten die Wähler und Wählerinnen nicht mehr so recht, wo links und rechts war. Fillon gibt ihnen mit seinem radikalen Programm der Liberalisierung der Marktwirtschaft auf Kosten der sozialen Errungenschaften eine Orientierungshilfe. Der rechte Kandidat steht klar rechts. Doch wo ist die Gegenseite und was unternimmt sie?
Ob die völlig gespaltene Linke aus der Episode Fillon etwas gelernt hat, und sich analog zur bürgerlichen Rechte doch noch zusammenrauft und auf eine gemeinsame Kandidatur mit Erfolgschancen einigt, ist derzeit mehr als fraglich. Das war am Sonntagabend ein zweiter Grund für die ausgelassene Stimmung an der Siegesfeier der Fillon-Fans.
Die Linke ist durch die Hollande-Jahre diskreditiert, und niemand von den selbsternannten Thronfolgern hat als Priorität zu verhindern, dass Frankreich im kommenden Frühling bei einer Stichwahl Fillon gegen Marine Le Pen noch weiter nach rechts rutscht.
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