Kommentar Urteil gegen Eisleben-Täter: Mehr als Aggressionen
Nach dem brutalen rassistischen Angriff auf eine syrische Familie in Eisleben sind die Täter verurteilt worden. Aber der Richterspruch ist in Teilen inkonsequent.
D as Urteil geht in Ordnung, die Begründung ist aber unbefriedigend. Zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung erhält Eric S., der Haupttäter eines rassistischen Angriffs auf eine deutsch-syrische Familie auf dem Volksfest von Eisleben in Sachsen-Anhalt. Die älteren Mittäter müssen dagegen mehrere Jahre ins Gefängnis.
Die Brutalität der Täter gegen die friedliche syrische Familie warf die Frage auf, ob hier ein Mordversuch aus niedrigen Beweggründen vorliegt. Doch das Gericht hat nur wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, um keine Aufhebung durch den Bundesgerichtshof zu riskieren. Diese Vorsicht ist akzeptabel. Selbst die Anwälte der betroffenen Familie haben den Tötungsvorsatz offen gelassen.
Auch die Bewährungsstrafe für den zur Tatzeit 19-jährigen Haupttäter ist im Ergebnis nachvollziehbar. Er war noch unreif, bei der Tat betrunken und bis dahin nicht vorbestraft. Als Bewährungsauflage muss er Sozialstunden verrichten und ein Antigewalttraining absolvieren, damit er künftig nicht mehr grundlos zuschlägt. Das trifft das Problem aber nicht richtig. S. hat nicht nur zugeschlagen, weil es ihm an Empathie mangelt, sondern weil er ein Rassist ist. Auf seiner Facebook-Seite zeigt er sich als Rechter, bei der Tat brüllte er ausländerfeindliche Parolen.
Dass solche Prügelattacken mehr sind als sinnlose Gewalt, nämlich ausgelebte rechtsextremistische Gesinnung, das hat das Gericht bei Ronny G., einem weiteren Angeklagten, durchaus deutlich gemacht. Das Urteil ist also nicht völlig entpolitisiert, eher etwas inkonsequent.
Deutliche Worte hätte man sich von den Richtern auch zur nachlässigen und verharmlosenden Ermittlungsarbeit nach der Tat gewünscht. Schließlich wird der Überfall von Eisleben nicht zuletzt deshalb in Erinnerung bleiben.
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