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Kommentar Untergang „Costa Concordia“Wir haben den Schuldigen

Michael Braun
Kommentar von Michael Braun

Der Untergang der „Costa Concordia“ zeigt, auf welch bizarre Weise im Kreuzfahrt-Business Geld gemacht wird. Doch jetzt interessiert nur noch der hasenfüßige Kapitän.

Die geborgene Costa Concordia in Hafen von Giglio, wo sie vor zwei Jahren sank. Bild: reuters

A kkurat zwei Jahre sind seit dem Untergang der „Costa Concordia“ vergangen. Seit jener Tragödie vor der toskanischen Isola del Giglio, die weltweite Aufmerksamkeit erregte – wegen der 32 Menschenleben, die sie kostete und auch wegen ihrer allzu offensichtlichen Absurdität.

Zur Symbolfigur des Desasters wurde zurecht Capitan Francesco Schettino, der sonnenbankgebräunte Gernegroß mit dem gegelten Haar, der erst mit unglaublichem Leichtsinn das Riesenschiff auf einen Felsen steuerte, sich dann als hasenfüßiger Jammerlappen entpuppte, flugs von Bord ging und die Passagiere ihrem Schicksal überließ.

Unmittelbar nach dem Unglück richteten sich die Scheinwerfer der Öffentlichkeit nicht bloß auf Schettino, sondern auch auf die Umstände, die ihm sein fahrlässiges Handeln überhaupt ermöglicht hatten, ebenso wie auf das bizarre Geschäftsmodell der Mega-Kreuzfahrtschiffe.

Da wäre zunächst die unselige Praxis der „Verneigung“, die es Schiffen von 300 Meter Länge erlaubte, mit nur wenigen hundert Meter Abstand die spektakulärsten Orte der italienischen Küste zu passieren, egal ob Giglio, Capri, Sorrent oder Venedig.

Desinteresse der Kunden

Diese Praxis wurde umgehend verboten – und das ist bisher wohl die wichtigste Lehre, die aus dem Untergang der „Costa Concordia“ gezogen wurde. Auch die Durchfahrt der Kreuzfahrtriesen quer durch Venedig wird ab November 2014 ein Ende haben.

Schnell dagegen schwand das Interesse an der Frage, wie Costa und ihre Konkurrenten ihr Geld im Kreuzfahrt-Business verdienen. Die Kunden buchten im Jahr 2013 wieder so fröhlich wie im Jahr unmittelbar vor dem Unglück. Ihr Interesse an Veränderung ist anscheinend ebenso bescheiden wie das der Justiz: Mit der Zahlung einer Geldbuße von einer Millionen Euro schied Costa aus dem Strafverfahren aus, in dem Schettino als nunmehr einziger Angeklagter übriggeblieben ist.

Dabei hätten diese Umstände durchaus mehr Aufmerksamkeit verdient: die Tatsache zum Beispiel, dass da Tausende Menschen angeblich „sicher“ auf einem Schiff zusammengepfercht werden, dass ihr Schicksal zugleich schlecht bezahlten, international zusammengewürfelten Besatzungen anvertraut ist, deren Mitglieder oft genug Schwierigkeiten haben, sich mit den Passagieren zu verständigen – und die im Fall der Concordia ganz so wie ihr Käpt’n zu einem guten Teil nur daran dachten, die eigene Haut zu retten.

Mit „bloß“ 32 Toten auf mehr als 4.200 Personen an Bord fiel das Unglück nur aus einem Grund relativ glimpflich aus: Das Schiff kenterte direkt vor dem Hafen von Giglio. Was eigentlich geschehen würde, wenn auf hoher See ein Brand ausbricht? Kaum jemand stellt diese Frage. Mit Schettino, dem durchgeknallten Kapitän, hat man ja den Schuldigen.

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Michael Braun
Auslandskorrespondent Italien
Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.
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5 Kommentare

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  • N
    Nochmal

    Die späteren Todesopfer

    wurden zurück in die Kombüse

    geschickt mit einer

    erlogenen Begründung.

    Die Reichen, in diesem Fall Russen, sollen die EinweiserInnen

    der Rettungsboote

    bestochen haben, allein

    das Rettungsboot zu bekommen

    und hätten anderen Menschen den Rettungsplatz vorenthalten.

    Vom Küstenschutz, den Anliegerfährschiffen und Fischerbooten kam wohl auch nicht genug Unterstützung.

    Das Militär fühlte sich wohl auch nicht zuständig.

    Wenigstens diejenigen, die bestochen haben und sich bestechen lassen und jene die

    aufgrund von Lügen die Leute

    in den Tod zurückgeschickt haben, gehörten verurteilt!!!

    Die Justiz hat zu wenig gemacht.

    Diese Passivität untergräbt die Moral noch mehr.

  • A
    abd

    Dieses Kreuzfahrtwesen ist ein einziger Skandal. Und die blinden Passagiere wollen gar nicht wissen, dass tief unter im Schiff Menschen wie Sklaven gehalten werden. Perverser geht es eigentlich kaum noch. Oben dummdreiste Party zum Schnäppchenpreis natürlich und ein paar Meter darunter das pure Elend.

     

    Mündige Kunden? Ich würde gern mal einen treffen.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Ein Riesen-Schiff, für das nur ein einziger Mann die Verantwortung trägt. Was ist mit den anderen Offizieren? Können die den Kapitän nicht auch auf Gefahren hinweisen und im Notfall eingreifen?

     

    Was ist mit der Sicherheitstechnik? Gibt es kein Unterwasser-Radar, das Alarm schlägt, wenn das Schiff einem Felsen zu nah kommt?

     

    Die Schiffskatastrophe beweist nur eins: Diese schwimmenden Luxushotels sind so unsicher, wie zu Zeiten der Titanic.

  • Brand auf Kreuzfahrtschiffen gab es im letzten Jahr mindestens 2 mal (laut Google). In beiden Fällen lief es glimpflich (keine Toten, wohl auch keine ernsthaft Verletzten) ab. Also muss man darüber auch nicht reden.

  • S
    Socke

    "schlecht bezahlten..." -> Meint der Autor tatsächlich die hätten anders gehandelt wenn sie besser bezahlt worden wären? Das ist wohl eher eine Frage des Charakters denn der Entlohnung. Es gibt genug Menschen die helfen anderen in der Not.

     

    "international zusammengewürfelten" -> Na das ist doch links wie es im Buche steht :-) Multikulti-par-excellence! Man stelle sich vor die hätten eine homogene (Rassisten würden reinrassige dazu sagen...) Mannschaft, die dafür dann aber in mehreren Sprachen ausgebildet. Oh Gott - wie rassistisch - würden alle schreien.

     

    Ihc bin daher für Sprachkurse für alle Passagiere die so eine Kreuzfahrt mitmachen wollen, verpflichtend.