Kommentar Union und Migranten: Die Integration der Stammtische
Gespensterdebatten um angebliche "Integrationsverweigerer" und "falsche" Zuwanderer tragen nur dazu bei, Ressentiments zu schüren. Da war die Union schon mal weiter.
W enn sich Angela Merkel heute mit Migrantenverbänden und anderen Interessenvertretern zum "Integrationsgipfel" trifft, dürfte die Stimmung gereizt sein. Sie wolle die Einwanderer stärker "fordern und fördern" - das gab die Kanzlerin als Motto aus, als sie vor fünf Jahren die erste Konferenz dieser Art einberief. Doch dass die Ausländer- und Aufenthaltsgesetze seither noch verschärft wurden, während es in Sachen "Fördern" meist bei vagen Absichtserklärungen blieb, hat viele ernüchtert.
Die CSU legt jetzt gleich einen ganzen Stapel neuer Forderungen auf den Tisch. Sie dringt darauf, sogenannte Integrationsverweigerer mit härteren Sanktionen zu bestrafen, Dabei weiß niemand so genau, wer das sein soll und wie viele es von ihnen gibt. Und sie will die Zuwanderung aus dem Ausland begrenzen. Dabei ist die ohnehin spärlich.
Horst Seehofers Kalkül ist klar: Mit seinen populistischen Sprüchen über türkische und arabische Einwanderer will er jene Lücke zwischen der Merkel-Union und den Stammtischen schließen, in die sonst eine neue rechtspopulistische Partei stoßen könnte. Doch dieses Kalkül ist kurzsichtig, denn die Erfahrung aus Ländern wie Österreich und den Niederlanden lehrt: Wer Ressentiments gegen Einwanderer salonfähig macht, bereitet künftigen Rechtspopulisten den Weg.
Daniel Bax ist Redakteur im taz-Meinungsressort.
Gespensterdebatten wie die um angebliche "Integrationsverweigerer" und "falsche" Zuwanderer tragen nur dazu bei, verbreitete Ressentiments zu schüren. Und Angela Merkel fällt dazu nicht viel mehr ein, als zu erklären, dass "Multikulti gescheitert" sei. Da war die Union schon mal weiter. Gleichzeitig lenkt die CSU mit ihrem Getöse von den wirklichen Problemen in Sachen Bildung und Arbeitsmarkt ab - und droht, jene Fortschritte in der Integrationspolitik zu blockieren, zu denen diese Regierung ansonsten durchaus in der Lage wäre.
Viele Migranten haben sich an solche Debatten gewöhnt. Sie gehören zu diesem Land wie der kalte Novemberregen, der ja auch irgendwann vorübergeht.
Andere, wie jene rund 700 Deutschtürken etwa, die jetzt einen offenen Brief an die Politik verfasst haben, sind alarmiert und fürchten Schlimmeres: eine Wiederkehr jener populistischen Stimmungsmache, die in den frühen Neunzigerjahren in Mölln und Solingen mehrere Tote forderte. So weit muss es nicht kommen. Aber die Politik muss auch diese Sorgen und Ängste ernst nehmen.
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