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Kommentar UmweltkatastropheZwei-Fronten-Kampf gegen die Ölpest

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Die US-Regierung kann nahezu überall auf der Welt Kriege führen. Aber sie schafft es nicht, Menschen und Umwelt vor der Ölindustrie zu schützen.

Es kommt nicht oft vor, dass Innenminister einfach mal die Wahrheit sagen. US-Innenminister Ken Salazar ist das gerade gelungen. Er begründete seine Entscheidung für ein fortgesetztes Moratorium gegen neue Ölbohrungen mit dem täglich aufs Neue erbrachten Beweis, dass die Industrie weder in der Lage ist, eine Katastrophe zu verhindern, noch, sie in den Griff zu bekommen und sicher zu operieren. So klar, so offensichtlich. Verrückterweise ist das Moratorium trotzdem so umstritten.

Da verkündet British Petroleum nach über elf Wochen ungebremsten Ölaustritts, man habe jetzt die Möglichkeit gefunden, das Loch zu verschließen. Na ja, vielleicht. Es müsse sich erst herausstellen, ob die neue Glocke wirklich hält.

Wenn nicht, ist man ein paar Wochen damit beschäftigt, sie wieder wegzuräumen. Wären die Folgen nicht so grauenvoll, man könnte aus den vielen Unwägbarkeiten des neuen BP-Abdichtungsversuchs eine wunderbare Technik-Reality-Show drehen: Was werden die Druckmessungen ergeben? Wird der Ölstrom versiegen? Wird es gelingen, das Loch mit Schlamm und Beton zu schließen? Am nächsten Wochenende im Pay-TV!

Noch also weiß niemand, ob wirklich in ein paar Tagen das Öl aufhört zu strömen. Selbst wenn, ist die Umwelt auf Jahre geschädigt. Aber längst tut sich die Industrie zusammen, um gegen die gemeine Regierung vorzugehen, die ihr gern vorübergehend verbieten möchte, weiter ihre Profite auf Kosten der Umwelt und der Allgemeinheit zu mehren.

Die Argumentation des Berufungsrichters, der in der vergangenen Woche der Industrie recht gab, weil die Regierung keine Beweise dafür vorgelegt habe, dass für den Golf ein Risiko bestünde, ist mehr als grotesk. Warum, fragt man sich kopfschüttelnd, muss sich eine Regierung ausgefeilter juristischer Tricks bedienen, um durchzusetzen, was die Vernunft nahelegt - nämlich mit dem Bohren aufzuhören, bis die Sicherheitslage besser ist als heute?

Es ist eine reine Machtfrage. Die ganze Absurdität, in die Ölhunger und Deregulierungsdiskurs die Welt gestürzt haben, ist unübersehbar. Die US-Regierung kann nahezu überall auf der Welt Kriege führen. Aber sie schafft es nicht, Menschen und Umwelt vor der Ölindustrie zu schützen. Die Folgen sind offensichtlich. Wäre das nicht ein würdigerer Gegner für internationale Koalitionen als die Taliban in den Bergen Afghanistans?

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

2 Kommentare

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  • S
    Stefan

    Richtig! Kampf der Ölindustrie!

    Deren Ziel ist die Vernichtung der Zivilisation und aller Freiheiten und die Unterwerfung der gesamten Welt, während die Taliban in einer Risikoabwägung lediglich zugunsten von Profit Prioritäten verschieben. Lasst endlich die armen Widerstandskämpfer in Ruhe, die sich nur gegen den krankhaften demokratischen Westen erheben.

    Wann Bernd Pickert diesen Artikel raus geschickt hat - vor oder nach einem Lachanfall???

     

    (PS: Zensur, wetten wir?)

  • A
    alcibiades

    Sehr richtig! Wenn es überhaupt mal einen sinnvollen Einsatz für einen der berüchtigten US-Flugzeugträger gebe, dann wäre es jetzt die Überwachung der Einhaltung der Bohrmoratoriums vor Ort. Sonst lässt sich doch ein amerikanischer Präsident auch ganz schwer stoppen, wen er sich mal was in den Kopf gesetzt hat. Echt bitter, dass dem Treiben der Ölindustrie offensichtlich niemand etwas entgegenzusetzen hat.