Kommentar Umgang mit Geschichte: Ein Mahnmal aus Marmor
Reicht das Anbringen einer mehr oder weniger dezenten Plakette aus, um die Smidt-Statue tatsächlich als Stachel im bürgerlichen Werte-Bewusstsein zu verankern?
B ürgermeister Smidt kommt nicht in den Keller: Nicht nur, weil es schade wäre um den schönen Marmor, aus dem die Statue des Bremerhaven-Gründers und Judenhassers im Bremer Rathaus gehauen ist. Es wäre auch das falsche Signal: Wer Smidt verschwinden lässt, entledigt sich eines prominenten Beispiels für heftigen Antisemitismus im bürgerlichen Gewand - also für tiefe Inhumanität aus der Mitte der Gesellschaft.
Freilich stellt sich die Frage, wie aus einem Marmordenkmal ein Mahnmal werden kann: Reicht das Anbringen einer mehr oder weniger dezenten Plakette aus, um die Smidt-Statue tatsächlich als Stachel im bürgerlichen Werte-Bewusstsein zu verankern?
Sehr viel deutlicher ist, was eine etwas weiter südlich gelegene Stadtrepublik im Umgang mit als problematisch erkannten Stadtoberhäuptern tut: In der Porträtgalerie des venezianischen Dogenpalasts bekommt schwarze Farbe, wessen Ehrung relativiert werden muss - unübersehbar.
Für eine Schule oder Kirche bedarf es allerdings mehr als nur Farbe: eines anderen Taufpaten. Aber muss, wer Smidt sagt, nicht auch an Carstens denken? Oder darf, wer von Luthers Anti-Judaismus spricht, vor Goethes unrühmlichen Auslassungen Halt machen?
Doch die "Wo kämen wir denn da hin?!"-Frage führt ins Leere: Inhumanes Denken nivelliert sich nicht gegenseitig.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!