piwik no script img

Kommentar Überwachung FrankreichPariser Kellergeheimnisse

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Totalitäre Paranoia: Machen Frankreichs Geheimdienste dasselbe wie die NSA? Nein, sagen Hollandes Behörden. Sicher kann man sich da aber nicht sein.

Unscharfer Eifelturm: Verfügt auch Frankreich über ein engmaschiges Überwachungsnetz? Bild: Revanche/photocase.com

W ie sagt man „Big Brother“ auf französisch? Darüber streitet man sich heute in Paris nach der Enthüllung der Zeitung Le Monde. Machen Frankreichs Nachrichtendienste insgeheim, illegal und außerhalb jeglicher Kontrolle genau dasselbe, was Edward Snowden in den USA aufgedeckt hat?

Das offizielle Dementi kam pflichtbeflissen sofort. Es sind die Leute, die eigentlich im Rahmen ihrer parlamentarischen Aufsicht den staatlichen Schnüfflern über die Schulter gucken und gelegentlich mahnend auf die Finger hauen müssten, die jetzt die schockierte Öffentlichkeit beschwichtigen. Ihren Ausführungen zufolge ist alles halb so wild. Doch wäre allein damit der Spionageskandal schon weniger schlimm?

In Wirklichkeit fehlt in Frankreich nur jemand wie Snowden; einer, der mit Fakten, Zahlen und Namen die ganze Wahrheit enthüllt. Dass auch in den Kellergewölben französischer Geheimdienste Ministerien, Polizeistellen, Überwachungszentralen existieren, wo Telefongespräche mitgehört, Daten und Internetverbindungen aufgezeichnet und gespeichert werden, war längst bekannt. Ebenso die Rechtfertigung, es gehe um den legitimen Kampf gegen Terrorismus und Kriminalität.

Bild: privat

ist Frankreich-Korrespondent der taz.

Selbst wenn es nur halbwegs stimmt , was Le Monde schreibt, leidet die französische Staatssicherheit unter derselben totalitären, stasihaften Paranoia wie die amerikanische NSA. Totalitär ist das deshalb, weil diese professionellen Spitzel wirklich alles hören, lesen und registrieren wollen, was die Bürger – allesamt potenzielle Staatsfeinde und Verbrecher – untereinander austauschen.

Solange solche massive Überwachungsmethoden außerhalb jeglicher Legalität und Kontrolle stattfinden, bleibt jeder undemokratische Missbrauch möglich. Die Versuchung für Behörden, auf Kosten der Bürgerfreiheit die Abkürzung über die Spionage zu nehmen, wächst sogar noch mit dieser Geheimnistuerei von „Insidern“. Jetzt sollen die Bürger in Frankreich diesen aufs Wort glauben, dass alles ausschließlich immer dem guten Zweck gedient hat. Ihr Vertrauen wird da arg strapaziert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • RB
    Rainer B.

    Die Frage, ob Frankreich oder andere Länder mit ihren Geheimdiensten dasselbe wie die USA machen, ist schnell beantwortet. Wenn sie eine vergleichbare Technik und die finanziellen Mittel dazu haben, machen sie's natürlich auch.

     

    Die Frage ist nur, was fängt man mit all diesen Daten an? Nicht die Größe eines Gehirns ist entscheidend, sondern seine Fähigkeit zu sinnvoller Verknüpfung und Verschaltung.

     

    Die berechtigte Empörung über diese gigantische Datensammelwut läßt einen Aspekt leider völlig aus dem öffentlichen Blickwinkel verschwinden - die Manipulation.

     

    Wer Daten anzapfen kann, der kann sie auch manipulieren.

    Was das in unserer hochtechnisierten Welt bedeutet, wird jedem schlagartig klar, der sich schon mal mit der Geschichte der Atombombe beschäftigt hat.

    Das Mögliche ist immer auch das Wahrscheinliche und das Wahrscheinliche ist praktisch das Unvermeidliche.

     

    Die Tage des hochvernetzten Weltkapitalismus dürften bald gezählt sein. Computer werden das erledigen. Menschen haben sie programmiert und Selbstzerstörung ist nunmal Teil ihres Wesens.

  • RB
    Rainer B.

    Die Frage, ob Frankreich oder andere Länder mit ihren Geheimdiensten dasselbe wie die USA machen, ist schnell beantwortet. Wenn sie eine vergleichbare Technik und die finanziellen Mittel dazu haben, machen sie's natürlich auch.

     

    Die Frage ist nur, was fängt man mit all diesen Daten an? Nicht die Größe eines Gehirns ist entscheidend, sondern seine Fähigkeit zu sinvoller Verknüpfung und Verschaltung.

     

    Die berechtigte Empörung über diese gigantische Datensammelwut läßt einen Aspekt leider völlig aus dem öffentlichen Blickwinkel verschwinden - die Manipulation.

     

    Wer Daten anzapfen kann, der kann sie auch manipulieren.

    Was das in unserer hochtechnisierten Welt bedeutet, wird jedem schlagartig klar, der sich schon mal mit der Geschichte der Atombombe beschäftigt hat. Das Mögliche ist immer auch das Wahrscheinliche und das historisch Unvermeidliche.

     

    Klingt abenteuerlich, aber ich bin ziemlich sicher, dass wir schon bald die letzten Tage dieses hochvernetzten Weltkapitalismus erleben werden.

    Nicht durch eine Revolution von Menschenhand, sondern durch Computer selbst wird dieser Prozess eingeleitet und nichts und niemand kann ihn dann noch stoppen.

  • F
    Fritz

    Es ist nur ein Unterschied in der Begruendung. Die Amis lieben das Terrorargument, die Ueberwachung ist aber auch dort eine selbstverstaendliche Supertrivialitaet. In Deutschland war es noch nie anders. Zumindest haben die Amis hier ganz selbstverstaendlich immer gemacht, was sie wollten, und tun es noch heute. Surprise, surprise, was ist daran ueberraschend und warum?

  • Z
    ztirf

    Man kennt da ein klassisches Zitat, die bürgerliche Demokratie, ist ein Scheinvorhang, hinter dem sich di ewahren Machtverhältnisse verbergen.

  • KO
    Kalle Ohr

    Interessanterweise tut Frankreich dies sogar in Deutschland, was den deutschen Sicherheitsorgane auch bekannt sein dürfte. So betreibt Frankreich in Deutschland eigene Abhörstationen wozu auch immer, z.B. steht eine solche Antennenanlage auf dem Gelände des ehemaligen Truppenübungsplatzes bei Kaltenkirchen - Moorkaten (S/H). Fragt man aber zuständige Stellen oder Behörden, so weiss niemand was genaues darüber. Es würde mich also in disem Zusammenhang auch nicht wundern, wenn die Geheimdienste der Länder die Informationen, die Sie mit solchen illegalen Verfahren wo auch immer gewinnen, gemeinschaftlich nutzen und auswerten. Einschließlich des BND.

  • RW
    Rainer Winters

    …und jetzt wollen wir wissen, was der BND macht. Aber bitte erst zwei Wochen vor den Bundestagswahlen. Angesichts des Kurzzeitgedächtnisses des Durchschnittsbürgers wäre es weniger zielführend, schon heute Bescheid zu wissen. Seehofer ist daher gar nicht so dumm, aus der Defensive in die Offensive zu gehen.

     

    Kommt das zu vermutende BND-Debakel heute zu Tage, prophezeie ich CDU/CSU/FDP bei den Bundestagswahlen 40%.

     

    Kommt das zu vermutende BND-Debakel Anfang September zu Tage, prophezeie ich CDU/CSU/FDP bei den Bundestagswahlen 28%.