Kommentar Überfälle auf Linkspartei: Angriff auf die Demokratie
Fast täglich werden Büros von Abgeordneten und Parteien angegriffen. Das ist alarmierend und muss zu parteiübergreifender Solidarität führen.
E s gibt Schlimmeres als eingeworfene Scheiben. Und viele Asylbewerber, Migranten oder linke Jugendliche machen gravierendere Erfahrungen mit rechtsextremer Gewalt als Politiker und Parteien, die im Licht der Öffentlichkeit stehen.
Trotzdem gibt es keinen Grund, die vielen rechtsradikalen Übergriffe auf Abgeordneten- und Parteibüros zu bagatellisieren, auch wenn dabei oft nur Scheiben zu Bruch gehen. Denn die alltägliche Gewalt hat an vielen Orten dieser Republik ein erschreckendes Ausmaß angenommen – und sie trifft vor allem einfache Mitarbeiter, engagierte Jugendliche und Parteimitglieder an der Basis.
Es ist auch kein Zufall, dass solche Übergriffe überall dort verstärkt zu verzeichnen sind, wo Neonazis ihre Treffpunkte haben. Das ist in der Tat ein gutes Argument für ein NPD-Verbot.
ist Redakteur im Inlandsressort der taz.
Doch damit ist das Problem längst nicht gelöst. Von den demokratischen Parteien muss man erwarten, dass sie hier ein klares Zeichen setzen. Dass Berlins CDU-Innensenator Frank Henkel den Landesvorstand der SPD in Berlin besuchte, nachdem deren Parteibüros und Jung-Aktivisten mehrfach zur Zielscheibe rechter Gewalt wurden, ist vorbildlich.
Noch besser wäre es allerdings, wenn sich solche Solidarität unter Demokraten auch auf die Kollegen von der Linkspartei erstrecken würde. Denn deren Büros sind in besonderem Maße von rechten Attacken und Übergriffen betroffen, während andere Parteien darunter deutlich weniger zu leiden haben.
Statt also Politiker der Linkspartei vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen, wie es derzeit der Fall ist, sollten die Sicherheitsbehörden weitaus mehr tun, um deren Sicherheit und die ihrer Mitarbeiter zu gewährleisten. Auch die anderen Parteien müssten deutlicher machen, dass die größte Gefahr – bei allen politischen Gegensätzen – weniger von der Linkspartei als von deren rechtsextremen Gegnern ausgeht. Denn jeder Angriff auf ihre politischen Konkurrenz ist auch ein Angriff auf die Demokratie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück