Kommentar US-indisches Nuklearabkommen: Schleichender Tod für die Kontrolle
Die USA schließt mit Indien ein Nuklearabkommen. Die IAEA billigt das - und verabschiedet sich so von ihrer Rolle als glaubwürdiger Wächter des Atomwaffensperrvertrags.
D as wichtigstes Rüstungskontrollabkommen seit Ende des Zweiten Weltkrieges ist bereits seit Jahren vom schleichenden Tod bedroht. Wichtigste Ursache dafür ist die mangelnde Umsetzung des Vertrages durch die fünf seit 1945 offiziell etablierten Atomwaffenmächte USA, Rußland, China, Frankreich und Großbritannien.
Andreas Zumach ist taz-Korrespondent bei den UN in Genf.
Das Abkommen verpflichtet die fünf zum vollständigen Abbau ihrer atomaren Arsenale. Zwar haben vor allem die USA und die ehemalige Sowjetunion die Zahl ihrer einst jeweils fast 20.000 atomaren Sprengköpfe seit Ende des Kalten Krieges deutlich reduziert. Zugleich modernisieren jedoch in erster Linie die USA seit Mitte der 90er Jahre ihre atomaren Arsenale.
Ziel ist es unter anderem, mit neuen, besonders kleinen Atomwaffen nicht nur abschrecken,sondern auch heißen Krieg führen zu können - etwa gegen unterirdische Bunker in von Washington gerne so bezeichneten "Schurkenstaaten". In geringerem Maße betreiben inzwischen auch Rußland, Frankreich und Großbritannien die Modernisierung ihrer Atomwaffen. China erhöht die Zahl seiner Sprengköpfe und Trägersysteme. An der mangelnden Vertragserfüllung durch die fünf Atomwaffenmächte scheiterten bereits die letzten beiden Konferenzen zur Überprüfung des Sperrvertrages.
Die zweite Ursache für den schleichenden Tod des Abkommens sind die Doppelstandards insbesondere der USA bei der Behandlung anderer Länder, die tatsächlich oder vermeintlich ebenfalls nach Atomwaffen streben. Die Entwicklung von Atomwaffen in Israel, das inzwischen über 300 Sprengköpfe verfügt, begann in den 60er Jahren mit Duldung und Unterstützung Washingtons. Dasselbe gilt für die atomare Bewaffnung Pakistans.
Für die USA war Pakistan bis Anfang der 90er Jahre in erster Linie strategisches Gegengewicht zu Indien, das seit Mitte der 70er Jahre ebenfalls die Entwicklung eigener Atomwaffen betreibt. Vor fünf Jahren begründeten die USA und Großbritannien ihren völkerrechtswidrigen Krieg gegen Irak mit der falschen Behauptung, das Land verfüge über Atomwaffen.
Hätte Irak tatsächlich Atomwaffen besessen, wäre das Land nicht angegriffen:diese Schlußfolgerung aus dem Irakkrieg stärkte in manchen Hauptstädten des Südens diejenigen, die in der Anschaffung eigener Atomwaffen die einzig verläßliche Garantie sehen gegen einen Angriff von außen. Dadurch wurde der Atomwaffensperrvertrag weiter unterminiert.
Vom Iran, der im Unterschied zu Israel, Pakistan und Indien den Atomwaffensperrvertrag ratifiziert hat, verlangt der UNO-Sicherheitsrat auf Initiative von USA und EU den vollständigen Verzicht auf das in dem Abkommen völkerrechtlich verbriefte Recht zur Anreicherung von Uran. Begründet wird dieses Ansinnen mit den beiden bislang nicht bewiesenen Behauptungen, Iran plane die Entwicklung von Atomwaffen und habe bereits in der Vergangenheit ein verbotenes militärisches Atomprogramm betreiben.
Die mit dem Senatsbeschluß von Donnerstag besiegelte Kehrtwende der USA gegenüber Indien erfolgte, weil die USA das Land als Bündnispartner gegenüber ihrem neuen strategischen Hauptrivalen China gewinnen wollen. Unter massivem Druck der Bush-Administration hat auch die Internationale Atomenergieagentur die neue Politik gegenüber Indien abgesegnet und haben die 45 IAEA-Mitglieder,die selber Atomanlagen auf ihrem Terriotium betreiben, Ausnahmeregeln für die Lieferung von Nukleartechnologie an Indien gebilligt. Damit verabschied sich die IAEA von ihrer Rolle als glaubwürdiger Wächter des Atomwaffensperrvertrages, für die sie vor drei Jahren noch den Friedensnobelpreis erhielt.
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