Kommentar US-Nordkorea-Gipfel: Zufallsprodukt einer Irrfahrt
Eine Einigung im Atomstreit ist eine schöne Vorstellung. Gleichzeitig würde ein erfolgreicher Gipfel Trump in seinem Krawallkurs bestätigen.
V ielleicht läuft beim Gipfel in Singapur alles rund. Donald Trump und Kim Jong Un verkünden strahlend ihren Deal: Nordkorea verpflichtet sich, seine Atomwaffen und Langstreckenraketen zu vernichten. Im Gegenzug gibt es die Aufhebung der Sanktionen, Wirtschaftshilfen und Sicherheitsgarantien für das Regime. Die Kriegsgefahr auf der Halbinsel ist nach Jahrzehnten gebannt, und der US-Präsident darf sich einen Friedensnobelpreis abholen.
Eine schöne Vorstellung. Und gleichzeitig eine ganz schön schreckliche: Ein Erfolg in Singapur würden sowohl Trump selbst als auch Gleichgesinnte in anderen Hauptstädten als Bestätigung seines außenpolitischen Krawallkurses ansehen. Dabei würde verloren gehen, dass ein solcher Erfolg keineswegs die Folge einer klugen Strategie wäre, sondern das Zufallsprodukt einer geopolitischen Irrfahrt.
Die Grenzen des Vorstellbaren verschoben
Trump handelt in der Außenpolitik emotional, selbstbezogen und beratungsresistent. Wohlwollend könnte man sein Vorgehen als unkonventionell bezeichnen. Sein ungewöhnliches Auftreten ermöglicht auf der einen Seite tatsächlich Chancen. Ein möglicher Verhandlungserfolg etwa schien zuvor in weiter Ferne zu liegen. Die Grenzen des Vorstellbaren verschiebt er aber gleichzeitig auch in die andere Richtung. Mindestens so rapide wie die Zahl der Chancen steigt durch seinen Kurs die Zahl der Risiken.
A new bromance
Diplomatie ist im besten Falle getrieben von der Voraussicht. Wer verhandelt, darf sich nicht auf das eigene Bauchgefühl und Selbstvertrauen verlassen. Er muss genau wissen, welche Interessen das Gegenüber antreiben, wie er diesen begegnen kann und was aus dem eigenen Handeln folgen könnte. Wer darauf scheißt, mag im Einzelfall auch mal Erfolg haben. Als Vorbild für eine neue Diplomatie taugt er deswegen noch lange nicht.
Vielleicht liefert Trump in Singapur ja auch dafür den Beleg – falls sein Treffen mit Kim nicht mit einem Erfolg, sondern im Dissens endet. Darauf hoffen, trotz aller Gefahren für eine ganze Weltregion? Kann auch nicht die Lösung sein. So oder so: Es wird ein schwieriger Tag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin