Kommentar US-Geheimdienstbericht: Wir hatten recht - und jetzt?
Der vorausgesagte Niedergang der USA ist kein Grund zur Freude. Denn eine Umverlagerung des Reichtums in Richtung autoritärer Systeme hat nichts mit sozialer Gerechtigkeit zu tun.
H aben wir es nicht schon immer gesagt? Der weltweite Kampf um Wasser, Öl und Nahrung wird schärfer. Wenn die Energiewende nicht gelingt und der Klimawandel nicht ernst genommen wird, wenn Weltmächte nicht mit Institutionen wie UNO und Weltbank zusammenarbeiten, wenn außerdem nicht mehr in Bildung und Chancen für die Jugend investiert wird: dann wird es ein böses Ende nehmen. Schön, dass sogar die US-Geheimdienste endlich verstanden haben, was Globalisierungskritiker schon lange erklären. Es ist immer nett, wenn der Groschen fällt.
Bettina Gaus ist Buchautorin und politische Korrespondentin der taz.
Die Versuchung ist groß, der Schadenfreude freien Lauf zu lassen. Nach Einschätzung ihrer eigenen Fachleute werden die USA in den nächsten Jahren ihre dominante Stellung verlieren und nur noch eine Macht unter mehreren sein. Heißa! Ist das nicht eine wunderbare Nachricht für alle, die sich in den letzten Jahren über die arrogante, völkerrechtswidrige Politik in Washington erregt haben?
Nein. Das ist keine wunderbare Nachricht. So abscheulich die Brutalisierung der Politik in den USA ist: Die Gesellschaftsmodelle anderer Mächte sind für Demokraten keine wünschenswerte Alternative. Es gibt ja derzeit keine russische oder chinesische Utopie. Eine Wohlstandsverlagerung von West nach Ost wäre ebenfalls kein Anlass zu spontaner Freude. Die Umverteilung von Reichtum in Richtung autoritärer Strukturen hat noch nichts mit sozialer Gerechtigkeit zu tun.
Die Tatsache, dass multipolare globale Systeme im historischen Rückblick stets weniger stabil waren als Systeme, die von nur einer oder höchstens zwei Mächten bestimmt wurden, kann auch niemanden zuversichtlich stimmen, der Krieg nicht für ein geeignetes Mittel politischen Handelns hält. Die US-Geheimdienste empfehlen jetzt einen grundlegenden Kurswandel. Der ist lange überfällig. Wenigstens das ist also Anlass zu vorsichtiger Hoffnung.
Ein solcher Kurswandel würde jedoch - selbstverständlich - nicht den Abschied von interessengeleiteter Politik bedeuten. Was die USA darunter künftig verstehen, wird man frühestens nach dem Amtsantritt des nächsten Präsidenten sehen. Abwarten. Für Jubel ist es zu früh.
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