Kommentar US-Abzug aus Afghanistan: Abschied vom Aufbau
Die USA wollen gar nicht ganz gehen. Der strategisch wichtige Kriegsschauplatz für die USA liegt schon heute nicht mehr in Afghanistan - sondern in Pakistan.
S osehr US-Präsident Barack Obama auch versucht, den Afghanistan-Einsatz als Erfolg hinzustellen: Nichts kann darüber hinwegtäuschen, dass die am Mittwoch bekannt gegebenen Abzugspläne vor allem einem geschuldet sind: Die US-Regierung kann und will sich den Krieg einfach nicht mehr leisten.
Von erfolgreichem nation building - einst mit der Verheißung eines neuen Marshall-Plans angekündigt - ist Afghanistan meilenweit entfernt. In zivile Aufbauarbeit fließt derzeit auch nur ein winziger Teil der US-Gelder: Während der Krieg insgesamt rund 120 Milliarden US-Dollar im Jahr verschlingt, gehen davon gerade einmal 3 bis 4 Milliarden Dollar in zivile Projekte.
Auch die werden weniger werden: Wo die Armee abzieht, gehen die ausländischen Zivilisten mit. Die Abzugspläne zeigen: Die USA - und die anderen Truppenstellerländer, die mitziehen werden - haben ihre Ambitionen für Afghanistans Entwicklung aufgegeben.
Dass sie dennoch nicht sofort gehen, ist zwei Dingen geschuldet: dem politischen Ausgleich zwischen kriegsmüder Öffentlichkeit und Geldmangel einerseits und der Gefahr, als schwacher Oberbefehlshaber zu gelten, andererseits. Wenn schon mit den Taliban verhandelt wird, dann wenigstens noch aus militärischer Stärke heraus.
Vor allem aber: Die USA wollen gar nicht ganz gehen. Der strategisch wichtige Kriegsschauplatz für die USA liegt schon heute nicht mehr in Afghanistan - erst recht nicht in Libyen -, sondern in Pakistan.
Um dort Einfluss zu haben, brauchen die USA starke Militärbasen in Afghanistan, weit über das Jahr 2014 hinaus, wenn eigentlich die letzten Kampftruppen Afghanistan verlassen sollen. Das Land wird vom Aufbauziel zum Aufmarschplatz - wieder einmal.
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