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Kommentar UN-SicherheitsratWas globale Verantwortung heißt

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Für einen Monat hat Deutschland nun den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat. Das bietet viele Möglichkeiten, globale Verantwortung wahrzunehmen.

S eit Freitag sitzt Deutschland für einen Monat dem UN-Sicherheitsrat vor. Als Deutschland nach einer intensiven Werbekampagne der Bundesregierung im Herbst letzten Jahres von der UN-Generalversammlung für die Jahre 2011 und 2012 zum nichtständigen Mitglied des höchsten UN-Gremiums gewählt wurde, hieß es, diese Rolle böte ganz "besondere Chancen zur Profilierung".

In Deutschland feierten viele Politiker und Publizisten diese Wahl gar als "wichtigen Schritt" auf dem Weg zu einem ständigen Ratssitz für die Bundesrepublik. Begründet wird dieses Ziel, das seit 1993 alle Bundesregierungen eint, mit der "globalen Verantwortung" Deutschlands, die angeblich seit dem Ende des Kalten Krieges gewachsen sei.

Die Stimmung schlug jedoch um, als sich die deutsche Regierung bei der Abstimmung über die militärischen Intervention in Libyen Mitte März im UN-Sicherheitsrat der Stimme enthielt. Die meisten Kommentatoren waren sich einig, dass diese Enthaltung der schwarz-gelben Regierung die Chancen Deutschlands auf einen ständigen Sitz deutlich geschmälert habe.

Bild: kristin flory

ANDREAS ZUMACH ist UN-Korrespondent der taz mit Sitz in Genf.

Doch das ist Unsinn. Denn um Deutschland - oder jedem anderen Staat - einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu verschaffen, müsste die UN-Charta geändert werden.

Das aber geht nur, wenn mindestens zwei Drittel aller 192 Mitgliedstaaten der UNO dem zustimmen - inklusive der fünf heutigen ständigen und vetoberechtigen Ratsmitglieder USA, China, Russland, Frankreich und Großbritannien. Doch dafür bestand, seit vor 18 Jahren die Debatte über eine Reform des Sicherheitsrats begann, nie der Hauch einer Chance. Und Chancen, die nie bestanden haben, können auch nicht geschmälert werden.

Deutschlands Haltung zum Krieg in Libyen

Beim Streit über die Libyen-Enthaltung handelte es sich in erster Linie um eine innenpolitische Debatte. Die US-Regierung, die noch 48 Stunden vor der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat dieselben Bedenken wie die Bundesregierung vorgetragen hatte, hat dieses Thema nie mit der Frage eines ständigen deutschen Ratssitzes verknüpft. Und jenseits der Nato, im "Rest der Welt", hat die deutsche Enthaltung das "Ansehen Deutschlands" keineswegs beschädigt, im Gegenteil.

Denn in vielen Hauptstädten Afrikas, Asiens und auch Lateinamerikas teilte man die Bedenken der Bundesregierung - und der Verlauf des seit fast dreieinhalb Monaten währenden Krieges in Libyen hat diese Bedenken leider weitgehend bestätigt, ein baldiges Ende des Konflikts zeichnet sich nicht ab.

Ansonsten bietet die Agenda des Sicherheitsrats für diesen Monat Deutschland kaum Möglichkeiten, sich als Vorsitzender zu profilieren. Das gilt auch für die Debatte über den Sudan, die nach der Sezession des Südens am 9. Juli geführt werden soll und die Außenminister Westerwelle persönlich leiten will. Den entscheidenden Beschluss zur Unabhängigkeit des Südsudans traf der Rat bereits letzte Woche, als er entschied, eine UN-Blauhelmtruppe entlang der Grenze zwischen dem künftigen Nord- und Südsudan zu stationieren.

Gerechtere Welthandelsregeln

Doch Deutschland hätte, als drittgrößte Wirtschaftsmacht und Exportvizeweltmeister, viele andere Möglichkeiten, seine globale Verantwortung weit besser und intensiver wahrzunehmen, als dies bislang der Fall ist.

Zum Beispiel könnte sich die Bundesregierung für gerechtere Welthandelsregeln zugunsten der armen Länder des Südens einsetzen. Auch könnte der - nach den USA und Russland - drittgrößte Waffenexporteur des Planeten die Ausfuhr von Instrumenten zur Kriegsführung in fast alle Spannungsgebiete dieser Welt endlich drosseln und sich in der UN-Generalversammlung aktiv für ein internationales Verbots- und Kontrollregime insbesonders von Kleinwaffen einsetzen.

Auch im aktuellen Libyenkonflikt bitten die humanitären Organisationen der UNO bislang vergeblich und zunehmend verzweifelt um mehr Unterstützung der Versorgung von inzwischen fast einer Million Flüchtlinge. Deutschland könnte sich aufraffen, wenigstens ein paar Tausend dieser notleidenden Menschen zumindest zeitweise aufzunehmen.

Für all das braucht es keinen Vorsitz und noch nicht einmal eine Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat - das alles geht auch als einfaches UNO-Mitglied.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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