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Kommentar Türkei und SyrienPraktisch eine Kriegserklärung

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Einen Tag nach Erdogans Brandrede lässt die türkische Armee Taten folgen. Die Botschaft an das Assad-Regime in Damaskus lautet: Ab jetzt wird zurückgeschossen.

N ur einen Tag nach Erdogans Brandrede vor seiner Fraktion lässt die türkische Armee Taten folgen. Panzerverbände und schwere Artillerie werden an die syrische Grenze verlegt, mit einer klaren Botschaft an das Assad-Regime in Damaskus: Ab jetzt wird zurückgeschossen. Außerdem wird die Türkei ab jetzt auch die syrische Opposition mit Waffen unterstützen, mit dem erklärten Ziel, Assad zu stürzen. Das ist kein geheimer Krieg mehr, es ist praktisch eine Kriegserklärung, die nur noch auf einen Anlass zum Zuschlagen wartet.

Man soll nicht glauben, dass die Türkei sich aus humanitären Gründen zu einer Militärintervention entschlossen hat. Die Bewaffnung und Unterstützung der Opposition ist Mittel zu einem eigenen Zweck. Syrien ist für die Türkei das Eintrittstor zum Nahen Osten. Das war schon der Grund für die engen Beziehungen zu Assad. Mit einer Ankara verpflichteten Nachfolgeregierung würde das umso mehr gelten. Die Türkei wäre auf einen Schlag der wichtigste regionale Player. Die Situation scheint günstig, weil Assad mittlerweile im größten Teil des Nahen Ostens und im Westen insgesamt verhasst ist.

Abgesehen davon, dass ein kaltblütig inszenierter Krieg nie legitim sein könnte, unterschätzen die Neo-Osmanen um Erdogan und seinen Außenminister Davutoglu auch die Risiken. Sie wissen weder wie Iran, noch wie Russland auf eine Auseinandersetzung zwischen türkischen und syrischen Truppen reagieren wird. Ganz schnell kann aus einem Grenzscharmützel ein Flächenbrand werden.

Bild: taz
Jürgen Gottschlich

ist Türkei-Korrespondent der taz.

Vor allem aber, selbst wenn Erdogan und Davutoglu beim Sturz von Assad erfolgreich wären, wie will ausgerechnet die Türkei den guten Hegemon in einem Land abgeben, in dem Sunniten, Alawiten, Christen und Kurden friedlich zusammenleben müssen, wenn sie schon die Kurdenfrage im eigenen Land nicht lösen können?

Die Großmachtträume in Ankara haben das Potenzial, die Türkei selbst in eine tiefe Krise zu stürzen.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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11 Kommentare

 / 
  • C
    clearmind

    Wenn ich mir die Kommentare der türkischen Bürger anschaue, dann fehlt ihnen der Abstand zu sich selbst. Die Interessen Ankaras gestützt durch die Nato scheinen mir klar zu sei. Wenn man sich vor Augen hält, das seit längerer Zeit schon vom türkischen Boden aus militärische Operationen nach Syrien stattfinden, die türkische Maschine offensichtlich syrischen Luftraum verletzt hat ( von der türkischen Presse und dem Oppositionssprecher im türkischen Parlament zugegeben), Gerüchten zur Folge eine syrische Nachfrage zu der Luftraumverletzung nicht beantwortet wurde, die Drohung Ankaras grenznahe syrische Truppenbewegungen auf eigenem Boden nicht zu dulden...etc..., ja dann finde ich den Begriff des Neoosmanismus durchaus bezeichnend.Mir ist durch Gespräche mit türkischen Bekannten bewußt,dass der Nationalstolz und die damit verbundene geschaffene kollektive Identitätsbildung hier sehr stark ausgeprägt ist, doch die Kehrseite einer solchen starken Ideolisierung ist halt der magelnde Abstand. Ich hoffe nur, dass die permanenten vom Ausland gesteuerten Provokationen in Syrien keinen Flächenbrand auslösen und das die türkische Regierung hier AUgenmaß wahrt und sich nicht in übergeordnete geopolitische Absichten als Mittel zum Zweck weiter einspannen läßt

  • A
    Avsar

    Ehrlich gesagt kann ich diese ganze Türkenphobie nicht verstehen. Hier kommentieren Personen denen es offensichtlich an Wissen fehlt. Keine Ahnung von Völkermord oder Genozid aber Kommentare ablassen. Ich würde was Völkermord angeht die Füsse still halten als Deutscher und kein Land als Faschistisch bezeichnen, wenn man selber als solches gilt weltweit. Der Türkenhass muss wohl bei den meisten Personen die hier bei TAZ Kolumnen kommentieren aus persönlichen Erfahrungen stammen und daher sind diese Kommentare auch nicht objektiv und daher nicht relevant und wichtig.

  • JS
    Jean-Paul Satre

    Die Türkei braucht doch eh nur einen Vorwand, um ihren Völkermord an den Assyrern zu Ende zu bringen, danach kommen die Griechen und die Armenier dran und jeder, der dort Urlaub macht unterstützt die faschistische Türkei.

  • F
    Frieden

    Griechenland sollte die Lage ausnutzen und endlich mal ein paar türkische Grenzverletzer vom Himmel holen, die fast täglich in griechischen Luftraum eindringen. Bisher hält man sich zurück: http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=ld30zCL6ovk

  • B
    Beobachter

    Wenn wir dann schon bei den Osmanen und WK 1 sind:

     

    einerseits hat man zwar den Briten geholfen die Türken zu vertreiben, aber nur um dann von selbigen imperial verraten zu werden und das einstmals zusammenhängende Land "Bilad as Shams", wie das Gebiet der Großprovinz Syrien unter den Osmanen hieß, in kleine kolonial gut zu verwaltende Einheiten aufgeteilt zu bekommen (i.e. Libanon, Syrien, Jordanien und nicht zuletzt Palästina mit dem später dort drauf gegründeten Judenstaat).

     

    Unter den Osmanen hatte man bereits das erreicht (Reisefreiheit im ganzen Gebiet und friedliches Zusammenleben aller Konfessionen und NAtionalitäten), wovon man heute weiter entfernt denn je ist nach einem Jahrhundert westlicher, kriegerischer und imperialer Einmischung aus dem Abendland!

  • E
    e.a.

    Erdogan hat schon nichts gemacht, als Israelische Soldaten dutzende türkischer Bürger erschossen haben... Warum sollten sie also ausgerechnet jetzt etwas gegen Araber unternehmen?

  • AS
    Andreas Suttor

    Der Autor verkennt völlig die Machtverhältnisse in dieser Region der Welt. Die Türkei sitzt eindeutig am längsten Hebel, die Risiken für das Land selbst sind denkbar gering. Nicht nur ist das Land die stärkste Militärmacht in der Region mit der NATO im Rücken, sondern es verfügt auch über eine Waffe, die jeden Gegner in Nahost in die Knie zwingen kann: die Kontrolle über die wesentlichen Wasserreserven. Ist der Hahn zu, kommen alle in Nahost in Schwierigkeiten - vor allem auch die Israelis. Insofern ist das Säbelrasseln für die Türkei kein grosses Risiko. Rußland wird sich wohlwollend verhalten, denn es gibt da durchaus gemeinsame Interessen. Und die Bezeichnung Neoosmanen sollte man sich lieber schenken.

  • N
    Neo

    bla bla Neo Osmanen bla bla Türkei in die Krise stürzen bla bla bla. Typisch Götschlich. Solches Gesülze widert mich einfach nur noch an.

     

    Herr Gottschlich, es sterben täglich zig unschuldige Zivilisten in Syrien, nur weil eine kleptokraten Diktator-Clique nicht abtreten will!!!

  • H
    hakan

    Man soll nicht glauben, dass die Türkei sich aus humanitären Gründen zu einer Militärintervention entschlossen hat. Die Bewaffnung und Unterstützung der Opposition ist Mittel zu einem eigenen Zweck. Syrien ist für die Türkei das Eintrittstor zum Nahen Osten

     

     

    Ja unser Erdogan er ist schon ein echt unglaublicher Mann! Könnt es kaum wahr haben das er nur unterdrückten helfen will und deswegen nicht mit dem Mörder Assad mitmacht, was für ihn übrigens ein leichteres spiel wäre DAS TOR zum nahen osten zu öffnen! Egal was die Türkei macht, findet immer etwas, was euch nicht passt.

     

    Unser Jet wird abgeschossen und wir sind gleich die schuldigen!

  • G
    Gast0815

    Dem Author scheint entgangen zu sein, dass die Osmanen über 6 Jahrhunderte den Nahen Osten dominierten. Wenn es also eine Macht versteht die Sitten und Bräuche, samt ihrer kulturen Eigenheiten "zu lenken", dann sind es die Türken, bzw. die sog. "Neo-Osmanen".

     

    Hauptsache der Westen hält sich aus dem Desaster welches er seit dem Zerfall des osmanischen Reiches im Nahen Osten angerichtet hat raus! Denn die Gegenwartsphänomene zeigen eines in eklatanter Deutlichkeit auf: wir sind die letzten die auch nur im Ansatz verstehen "was da unten" los ist, und noch viel wichtiger wie es zu lösen ist!

     

    MfG

  • S
    strooker

    War der Satz: "... Ab jetzt wird zurückgeschossen." unabsichtlich? Ich hoffe nicht.

     

    Jedenfalls fehlt noch, dass die Araber gegen die Türken (Osmanisches Reich) ihre Unabhängigkeit erstritten haben. Die Türken sind also eventuell ebenso unbeliebt wie Assad.

     

    So wie es aussieht (noch nur eine Vermutung), soll und will die Türkei einen Stellvertreterkrieg für die USA und Europa führen. Unterstützung dafür bekommt sie also nicht direkt (NATO-Verhandlungen am Dienstag haben wohl dieses Ergebnis gebracht). Ich denke, dass Syrien dann ebenso einen Stellvertreterkrieg führen wird - für Russland, China und den Iran. Damit wären wir also wieder im kalten Krieg angekommen, zum Teil sogar mit denselben Mitspielern in denselben Positionen.

     

    Eines ist jetzt schon klar: Die Menschen in Syrien und in anderen arabischen Staaten zählen nicht. Eine demokratische Revolution gibt es nicht mehr - sie wurde von Gruppen mit geopolitischen Machtinteressen gekapert. Sofern diese Gruppen den arabischen Frühling nicht sogar mit angezettelt haben. Um die Menschen, die ehrlich Demokratie wollten, tut es mir leid.

     

    Aber auch wir werden von unserer Regierung sehr im Dunkeln gelassen, was dort wirklich passiert. Zumindest sollte die taz anders über Menschenrechte schreiben - die spielen im Syrienkonflikt für alle Beteiligten eine untergeordnete Rolle. Sie werden als Propaganda missbraucht - da muss man aufpassen, dass man nicht instrumentalisiert wird, wenn man die Argumente unreflektiert wiederholt. Menschenrechtsverletzungen finden in Syrien tatsächlich statt, aber im übertragenen Sinne eben auch in Riad, Teheran, Ankara usw..