Kommentar Tschad-Machtkämpfe: Das Versagen der Schutzmacht
Tschads Präsident Déby hat etwas mit den Rebellen gemein, die die Hauptstadt einnehmen: Machterhalt mit der Waffe. Es wird endlich Zeit für ein demokratisches Staatswesen.
Dominis Johnson ist Afrikaexperte der taz und Redakteur im Auslands-Ressort.
Wenig trennt Tschads Präsidenten Idriss Déby politisch von den Rebellen, die ihn in der Hauptstadt Ndjamena eingekesselt haben. Sie alle kommen aus der unseligen Kriegstradition, die das Land seit der Unabhängigkeit vor fast fünfzig Jahren in dauerhafter Instabilität gehalten hat. Macht wird mit der Waffe erhalten, Machtwechsel werden mit der Waffe erzwungen.
Die großen Verlierer der tschadischen Krise sind Frankreich und die Europäische Union. Frankreich hält die militärisch stärkste Armee des Tschad, war aber entweder unfähig oder unwillig, die Eroberung der Hauptstadt durch eine Rebellenarmee zu verhindern. Es sieht sich als die Schutzmacht aller tschadischen Regime, ist jetzt aber zu schwach, um einen geordneten und raschen Machtwechsel von einem Diktator zum nächsten zu erzwingen. Stattdessen wird Ndjamena zum Schlachtfeld mit Kriegsszenen, die man eher aus Mogadischu kennt.
Die Frage ist berechtigt, was die mittlerweile 1.450 französischen Soldaten eigentlich tun, außer Ausländer zu evakuieren, den Flughafen zu halten und für die Regierungsarmee Aufklärungsflüge über Rebellenstellungen zu fliegen. Und die EU-Truppe Eufor, die eigentlich dieser Tage mit der Stationierung im Osten des Tschad hätte beginnen sollen, dürfte nun dem Krieg vorerst zum Opfer fallen. Vermissen wird sie im Tschad niemand.
Schmerzlich vermisst, vor allem von zivilgesellschaftlichen Kräften des Landes, wird aber mehr europäisches Engagement zur Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Erst vergangenes Jahr vereinbarte die Regierung auf EU-Druck Schritte zu freien Wahlen unter Einbeziehung der Opposition in die Vorbereitung. Statt diese voranzutreiben, konzentrierte sich die Europäische Union dann allein auf ihre von Frankreich gewollte Eingreiftruppe. Wenn schon dem Ausland nur militärische Mittel zum Umgang mit dem Tschad einfallen - wer soll dann im Land auf Frieden setzen?
Wer jetzt in Ndjamena Präsident wird oder nicht, sollte völlig egal sein. Wichtig wären den Menschen Schritte zur Gründung eines demokratischen Staatswesens. Dafür aber haben die Tschader bislang keinen Partner.
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