Kommentar Trumps Staatsverständnis: Im Zweifel für die Loyalität
US-Präsident Donald Trump bleibt sich treu: Was er der „New York Times“ zum Besten gab, ist letztlich eine Aufforderung zur Rechtsbeugung.
E s war der vermutlich einzig vernünftige Schritt, den Trumps Justizminister Jeff Sessions in seiner bisherigen Amtszeit unternommen hat, als er sich bei den Ermittlungen zu Trumps Russland-Connection für befangen erklärte. In allen anderen Politikfeldern, von Drogenpolitik bis Reform des Strafjustizsystems, steht Sessions für ein rückwärts gewandtes Weltbild, für eine Politik der „harten Hand“, die mit der Realität der USA nur insofern zu tun hat, als die katastrophalen Auswirkungen jahrzehntelanger Praxis überall im Land spürbar sind.
Ausgerechnet aus diesem einen Lichtblick in Sessions’Agieren, seiner Befangenheitserklärung in Sachen Russland, dreht Donald Trump ihm nun einen Strick. Sicher, eigentlich hätte Sessions schon zurücktreten müssen, als herauskam, dass er bei seiner Anhörung im Senat nicht die Wahrheit gesagt hatte. Aber da stand Trump zu ihm, geißelte die Aufregung als Inszenierung der „Mainstream-Medien“ und der Demokraten.
Was Trump jetzt im Interview mit der New York Times zum Besten gab, ist letztlich eine Aufforderung zur Rechtsbeugung, ausgehend von der verschrobenen Vision, jede Kritik sei eine Lüge und ein Manöver, das abzuwehren jedes Mittel recht sei.
Ein Justizminister, der auch Generalstaatsanwalt ist, muss qua Funktionsbeschreibung unabhängig agieren können, unter Umständen auch gegen den eigenen Präsidenten. So will es die Verfassung der USA. Auf dieser Unabhängigkeit beruht das ganze System. Dass Trump gerade das als „unfair“, ja als Illoyalität dem Präsidenten gegenüber kritisiert, offenbart erneut eine gefährliche Bereitschaft, den Rechtsstaat auszuhebeln.
Dass Dinge wie Gewaltenteilung und Menschenrechte nicht immer verstanden werden, ist auch in Deutschland bei Debatten, etwa über die Rechte mutmaßlicher Vergewaltiger, zu beobachten. An den mächtigsten Regierungschef der Welt sind dennoch andere Maßstäbe anzulegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Pressefreiheit unter Netanjahu
Israels Regierung boykottiert Zeitung „Haaretz“
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Twitter-Ersatz Bluesky
Toxic Positivity