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Kommentar TreberhilfeGewinn auf Kosten der Gesellschaft

Kommentar von Sebastian Heiser

Der Chef der Berliner Treberhilfe hat sehr gut verdient. Darf es sein, dass jemand Profit mit der Hilflosigkeit anderer Menschen macht? Natürlich!

Was ist eigentlich so schlimm am Geschäftsgebaren der Treberhilfe? Der Geschäftsführer hatte als Dienstwagen einen Maserati und soll ein Gehalt von mehr als 30.000 Euro im Monat bezogen haben - das alles bezahlt aus öffentlichen Geldern. Na und? Das Geld hat die Treberhilfe schließlich bekommen, um dafür eine Leistung zu erbringen, etwa Obdachlose zu betreuen. Und die Qualität der Arbeit der Treberhilfe wurde noch von niemandem in Zweifel gezogen.

Aber darf es denn sein, dass jemand Profit mit der Hilflosigkeit anderer Menschen macht? Natürlich: Mein Hausarzt finanziert sich auch hauptsächlich aus öffentlichen Geldern, die er von den gesetzlichen Kassen erhält. Vor seiner Praxistür steht ein Auto, das ziemlich teuer aussieht. Die Bayer HealthCare AG machte mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln einen Milliardengewinn, die Vorstandsmitglieder erhalten 1,3 Millionen Euro pro Jahr. Auch Baukonzerne erhalten viele Aufträge von der öffentlichen Hand - und dürfen Gewinn machen.

Wer das nicht will, muss es staatlich organisieren. Dann gäbe es keine freien Träger mehr wie die Treberhilfe, sondern eine Obdachlosenbehörde, die die Betroffenen verwaltet und ihnen einheitliche Unterkünfte anbietet. Allerdings arbeiten Behörden nicht unbedingt effizienter - sie sind nicht nur bürokratischer, sondern auch teurer.

Besser ist es dagegen, die Leistungen im Wettbewerb zu organisieren. Das heißt: Der Staat kontrolliert die Qualität, aber er garantiert keine Einnahmen. Wer nicht genug Geld einnimmt, geht dann in die Insolvenz. Wer hingegen erfolgreich ist, darf dann auch ein dickes Autos fahren und viel Geld verdienen.

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5 Kommentare

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  • HB
    Herr Bu.mann

    @ Herr Lehmann,

     

    schöne Idee, auch mal die Beschäftigten zu fragen!

    Da ist es nämlich so: Bei Neuanstellung bekommen Sie nicht direkt den vollen Lohn. Auf den vollen Umfang kommen Sie erst nach dem Probejahr (Einjahresvertrag). Anstelle der normalen 8 Klienten/innen für 39 Std./Woche müssen Sie immer 9 Klienten betreuen, da dieses Klientel nicht das Zuverlässigste ist und somit nicht die Gefahr besteht, dass die Einrichtung nicht zu 100% ausgelastet ist.

    Urlaubsanspruch: die gesetztl. 20 Tage/Jahr.

    Weiterbildung verpflichtend, natürlich Inhouse-Seminare in der schönen Villa von Hr. E.. Sollten Sie innerhalb des Jahresvertrages selbst kündigen, bekommen Sie die Kosten der Weiterbildung in Rechnung gestellt. Die Veranstaltungen werden durch gleichwertig ausgebildete interne Mitarbeiter/innen durchgeführt, die dafür dann einen Lohnbonus erhalten und nicht etwa durch externe Experten/innen.

    Normalerweise wird vor "Betreuung" das BA angefragt ob dies möglich ist. Erst dann wird in den jeweiligen Leistungstyp BEW/BGW aufgenommen. Die Treberhilfe nimmt erst mal jede/n auf und stellt dann ganz selbstverständlich die Betreuung in Rechnung.

    Noch Fragen?

  • MS
    Markus Strobl

    Bitte um durchdachte Kommentare zu diesem Thema

     

    Leider ein recht dummer Kommentar. Wer über die Treberhilfe schon vorher mal was gehört hat, weiß, dass es z.B. mit den Rechten der Mitarbeiter schon lange nicht zum Besten stand. So gibt es bis heute keine Mitarbeitervertretung bzw. Betriebsrat. Die Mißstände sind im Gegenteil entstanden, weil Ehlert die Marktorientierung auf die Spitze trieb und zudem ein schwer durchschaubares Firmenkonglomerat konstruierte, dessen Miteigentümmer er war. Dafür Geld aufzubringen dürfte ihm mit den

    35 000,- € Monatsgehalt nicht schwer gefallen sein. Die Schlußfolgerung des Kommentars geht in die absolut falsche Richtung. Schade, so etwas undurchdachtes in der taz lesen zu müssen. Es wäre schön, wenn kritisch aber auch reflektiert, in der taz berichtet und kommentiert werden würde. Dabei das Kind mit dem Bade auszuschütten ist jedenfalls absolut kontraproduktiv und ärgerlich.

  • E
    Ertsaunter

    Interessante Einschätzung durch die Autorin(?): dass über den Markt gesteuerte (Sozial!)Leistungen prinzipiell effizienter funktionieren würden, lässt sich durch Tatsachen kaum belegen. Die Praxis der freien Trägerschaft in Deutschland eignet sich auch nur bedingt als Beispiel für ein marktgesteuertes Sozialsystem, da die Mittel, die eingesetzt werden, durch den Staat zur Verfügung gestellt werden. Angebrachtere Untersuchungsgegenstände für die These eines besseren Marktfunktionierens bieten angelsächsiche Länder: z.B. Australien, wo die Öffnung des Kinderbetreuungssektors für gewinnorientierte Unternehmen eindeutig gezeigt hat, dass sich im Sozialen zwar Profite erzielen lassen, dies aber kaum mit der Intention einer qualitativ angemessenen Leistungsversorgung zu vereinbaren ist.

    Also besser recherchieren, oder doch lieber zu fremden Themen schweigen?

  • JO
    Jörn Oltmann

    Ein Geschäftsführer einer gemeinnützigen GmbH mit diesen Geschäftsfeldern muss in der Öffentlichkeit ein anderes Auftreten an den Tag legen, als Harald Ehlert es getan hat. Es ist ein Unterschied, ob die GmbH steuerbegünstigt ist oder nicht. Die Betreuung von Jugendlichen oder Obdachlosen sind keine x-beliebigen Geschäftsfelder bei denen der Geschäftsführer den großen Max machen kann. Im Übrigen hat Protzen (Maserati) selten etwas mit tatsächlicher Stärke zu tun. Dies gilt auch für Bauunternehmer oder Ärzte. Und generell gilt, dass der tariflich fixierte Lohn gezahlt werden muss. Es mag sein, dass in der Treberhilfe die rechtlichen Vorschriften eingehalten worden sind, aber politisch verwerflich und skandalös sind die Vorgänge alle mal. Angesichts leerer Haushaltskassen können wir uns eine solch verschwenderische Haltung und ein solches Vorbild gar nicht leisten. Harald Ehlert hat sich verzockt und es gut, dass seine unverhältnismäßigen Privilegien öffentlich diskutiert werden, die sich nicht nur auf den Dienstwagen und sein Gehalt begrenzen. Und es ist auch gut, dass die Entgeltstrukturen für SGB-Leistungen zur Disposition stehen. Ja, wohl nur über Ausschreibungen mit Qualitäts- und Dokumentationsstandards, werden wir zu mehr Effizienz und Transparenz kommen. Tansparenz hat Harald Ehlert auch immer selbst als Erster eingefordert. Nur für ihn selbst scheint das nicht zu gelten.

  • HL
    Herr Lehmann

    Hat der Kommentarschreiber mal die Mitarbeiter der Treberhilfe gefragt, was sie mit ihrer Arbeit im Schnitt so verdienen und damit (wahrscheinlich aus reinster Nächstenliebe zum Chef) zum guten Gewinn des Unternehmens beigetragen haben?