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Kommentar Thailands JustizRecht statt Gerechtigkeit

Kommentar von Nicola Glass

Thailands Justiz hat Ex-Premier Thaksin wegen Amtsmissbrauchs zu Recht verurteilt. Doch gäbe es dort unabhängige Justiz, wäre nicht nur Thaksin angeklagt worden.

E s besteht kein Zweifel: Thailands Expremier Thaksin Shinawatra war korrupt und gierig. Während seiner Zeit als Regierungschef zwischen Anfang 2001 und September 2006 hat er konstant sein Amt missbraucht. Mal, um für seine Frau ein kostengünstiges Geschäft einzufädeln, ein anderes Mal, um dem einst von ihm gegründeten Telekommunikationskonzern Shin Corp. lukrative Aufträge zuzuschanzen. Zudem war Thaksin alles andere als ein Demokrat: In seine Regierungszeit fallen einige der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen in Thailands jüngerer Geschichte, darunter der von ihm 2003 initiierte sogenannte Krieg gegen die Drogen sowie massive Gewalt gegen die muslimische Minderheit im tiefen Süden.

Bild: dpa

Nicola Glass ist Thailand-Korrespondentin der taz.

Thailands Justiz hat richtig gehandelt, indem sie Thaksin wegen Amtsmissbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilt hat. Doch Rechtsprechung hat in diesem Fall wenig mit Gerechtigkeit zu tun: Gäbe es in Thailand wirklich eine unabhängige Justiz in Thailand, dann würde definitiv nicht nur Thaksin auf der Anklagebank sitzen. Sondern alle korrupten Politiker, die das Land bisher gesehen hat.

Die Schlange wäre lang. Auch ist es auffällig, dass sich alle Prozesse, wenn es überhaupt dazu kommt, ausschließlich um Korruption und Machtmissbrauch drehen - niemals ist von Menschenrechtsverletzungen die Rede. Das hat seinen Grund. Denn dann müssten mit Blick auf die vergangenen Jahrzehnte auch Angehörige der alteingesessenen Elite, etwa Teile des Militärs, juristisch zur Verantwortung gezogen werden. Doch die gelten, im Gegensatz zu Thaksin, weiterhin als unantastbar.

Das Urteil gegen Thaksin hat deshalb keine heilende Wirkung. Im Gegenteil, es verschärft die seit langem schwelende innenpolitische Krise. Denn die Gegner Thaksins sehen sich in ihrem Urteil bestätigt, dass der Expremier ein Lügner und Betrüger war. Dessen Anhänger hingegen, welche den Löwenanteil der jetzigen Regierung stellen, betrachten Thaksin als einen zu Unrecht Verurteilten. Solange die Justiz in dieser tendenziösen Art das Gesetz auslegt, wird Thailand ein geteiltes Land bleiben. Mehr noch: Es wird bald wieder zu Unruhen und Gewalt kommen.

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1 Kommentar

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  • B
    Bertrand

    Glückwunsch. Endlich ein sachkundiger Artikel über das Thema, wie man ihn sonst in unserer Mainstream-Presse schmerzlich vermisst. Selbst die englischsprachige "Bangkok Post" hat längst offen berichtet, dass mehr als die Hälfte der im sogenannten Drogenkrieg unter Taksin Shinawatra Getöteten unschuldige Opfer waren. Wo war denn damals unsere ach so freie Mainstream-Presse? Derselbe Vorgang in China und unsere Presse hätte aufgeschrien. Jetzt lamentiert man über mangelndes Demokratieverständnis in Thailand. Eine Wahl mit gekauften Wählerstimmen der Bauern auf dem Lande ist eben Bauernfängerei und keinesfalls Demokratie. Von Ihren Journalistenkollegen müßte man hier mehr Hintergrundrecherche erwarten können. Weiterhin viel Erfolg bei Ihrer professionellen Arbeit.

    Bertrand.