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Kommentar Terrorangriff im SinaiDen eigenen Sumpf trockenlegen

Kommentar von Georg Baltissen

Die Muslimbrüder in Ägypten wollten einen geregelten Grenzverkehr mit Gaza einrichten. Doch offenbar steht ihnen ein terroristischer Untergrund entgegen.

E in „globales dschihadistisches Netzwerk“ vermutet Israels Verteidigungsminister Ehud Barak als Urheber hinter dem jüngsten Terroranschlag im Grenzdreieck zwischen Ägypten, Israel und dem Gazastreifen. Er dürfte damit der Wahrheit ziemlich nahe kommen. Unzweifelhaft handelte es sich bei der Terrorattacke um ein „Todeskommando“, das den „Märtyrertod“ bewusst einkalkuliert hat.

Keine Opfer gab es auf der israelischen Seite, der der Anschlag mindestens ebenso galt wie den ägyptischen Soldaten. Israel war offensichtlich auf einen derartigen Angriff vorbereitet. Schon Tage zuvor waren Israelis aufgefordert worden, den Sinai zu verlassen, weil es Hinweise auf geplante Entführungen gegeben habe.

Der Anschlag ist ein Debakel für die ägyptische Muslimbruderschaft unter Führung von Präsident Mursi und für ihren ideologischen Ableger Hamas im Gazastreifen. Beide Seiten hatten erst jüngst Vorbereitungen getroffen, um einen geregelten Grenzverkehr zwischen Ägypten und Gaza zu ermöglichen, der den Gazastreifen endlich aus der vormals israelisch-ägyptischen Belagerung entlassen hätte.

Bild: privat
GEORG BALTISSEN

ist Redakteur im Auslandsressort der taz.

Diese Bemühungen sind Makulatur, die Grenze ist vorläufig wieder dicht. Es ist offensichtlich, dass der herrschenden Muslimbruderschaft diesseits und jenseits der Grenze ein militärischer Untergrund entgegensteht, der zu einer direkten Bedrohung der Regierenden geworden ist.

Seit Jahren hat sich auf der Sinai-Halbinsel eine terroristische Infrastruktur gebildet hat, die aus eingesickerten Kämpfern von al-Qaida und Dschihadisten aus aller Herren Länder besteht. Die Muslimbruderschaft in Kairo, aber auch die Hamas-Oberen in Gaza müssen jetzt ihren eigenen radikalen Sumpf trocken legen. Auf dieses Gefecht darf man gespannt sein.

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Auslandsredakteur
61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.
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3 Kommentare

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  • BO
    best of

    >> Die Muslimbruderschaft in Kairo, aber auch die Hamas-Oberen in Gaza müssen jetzt ihren eigenen radikalen Sumpf trocken legen.

  • SD
    Stimme der Demokratie

    "Keine Opfer gab es auf der israelischen Seite, der der Anschlag mindestens ebenso galt wie den ägyptischen Soldaten." Wo bitte galt dieser Anschlag den ägyptischen Soldaten???

    "..., aber auch die Hamas-Oberen in Gaza müssen jetzt ihren eigenen radikalen Sumpf trocken legen." Das hört sich so an, als hätte die Hamas nichts mit den "Radikalen" zu tun. Die Hamas sind Terroristen.

    Gerne, nicht dafür, lieber GB.

  • TH
    Thomas H

    Georg Baltissen bringt es recht gut auf den Punkt, finde ich.

     

    Schon seit einigen Monaten braut sich mächtig Ärger und bewaffneter Bruderzwist unter den diversen Dschihadistengruppierungen im von der radikalislamistischen Hamas kontrollierten Gazastreifen zusammen.

     

    Den ultraradikalen Dschihadisten von Al Qaida und Co. gilt die extreme Hamas in Gaza inzwischen quasi schon als verlängerter Arm der "Zionisten" und des bösen Westens, ebenso wie die mitregierenden Muslimbrüder und die um politischen Einfluss ringenden Salafisten in Ägypten.

     

    Der hassideologische Wahn, der ja theoretisch alle Islamisten vereinen sollte, splittert sie in der paranoiden extremistischen Alltagspraxis in immer neue untereinander tödlich verfeindete Grüppchen und Fraktionen auf, von denen jede für sich und gegen alle anderen beansprucht, als einzige dem einzig wahren und einzig reinen Islam radikalislamistischer Denkungsart zu folgen. Die radikalislamistischen Konkurrenten werden jeweils als mit der "zionistischen" Weltverschwörung kollaborierende "Feinde des Islam" denunziert und zunehmend auch terroristisch attackiert.

     

    Ob im Gazastreifen, in Ägypten, in Libyen, in Mali, in Syrien, im Irak, im Jemen, im Sudan, oder sonstwo, von Nordafrika über Nahost bis hin zum Hindukusch gilt:

    Überall wuchert derzeit heftiger denn je der innerislamistische Spaltpilz, und es eskallieren die internen Macht- und Revierkämpfe zwischen den Dschihadistenfraktionen, deren Führer jeweils durchaus auch sehr weltliche Macht- und Bereicherungsinteressen verfolgen, für die sie ihre Untergebenen gern schon mal in den ideologisch verklärten "Märtyrertod" schicken.

     

    Der bislang von Hamas kontrollierte Gazastreifen steht längst am Rande eines offenen innerislamistischen Bruderkriegs, zwischen verfeindeten Fraktionen der inzwischen mehrfach gespaltenen Hamas, und den mit solchen Fraktionen mal liierten und mal verfeindeten anderen mehr oder weniger radikalislamistischen Terrorgruppen.

     

    Im ägyptischen Sinai wird dieser innerislamistische Bruderkrieg bereits sehr rabiat ausgetragen. Dabei wird nicht einmal auf Muslime und auf deren geheiligten Ramadan Rücksicht genommen.

     

    Die Syrien-Krise heizt den sektiererischen Zerfallsprozess der Dschihadistenszene in Nahost nun erstrecht tüchtig weiter an.

     

    Die neuen ständig unsicheren Grenzen sind nun für Israel vornehmlich die Grenze zu Ägypten und die Golangrenze zu Syrien, wohingegen es an der Grenze zu Hamastan und zum Hisbollah-kontrollierten Südlibanon erstaunlich ruhig geworden ist.

     

    Und auf dem Sinai sowie in Teilen Syriens, tobt unterdessen bereits der sich ausbreitende innerislamistische Terrorkrieg, der demnächst auch dem Gazastreifen ins "Haus des Friedens" stehen dürfte.