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Kommentar Tauschbörsen-UrteilKein Mitleid mit Abmahnanwälten

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Sieben Jahre hat es gedauert, bis sich der gesunde Menschenverstand durchgesetzt hat: Eltern haften nicht für ihre volljährigen Kinder.

Mehr Sicherheit bei Downloads: Laptopnutzerin in Düsseldorf. Bild: ap

E ltern haften in der Regel nicht für illegale Internet-Aktivitäten ihrer volljährigen Kinder. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof entschieden.

Wer volljährig ist, sollte wissen, was erlaubt und verboten ist und braucht keine Belehrung der Eltern mehr. Umgekehrt müssen die Eltern dann aber auch nicht beweisen, dass sie ihre volljährigen Kinder ausreichend ermahnt haben, den heimischen Internet-Anschluss nicht zu missbrauchen.

Diese Grundsätze sind vernünftig und entsprechen durchaus dem gesunden Menschenverstand. Erstaunlich, dass es sieben Jahre dauerte, bis sich diese Ansicht jetzt in letzter Instanz durchsetzte.

Das Urteil gilt nicht nur für erwachsene Kinder, sondern ist auch auf Ehegatten und Lebenspartner übertragbar. Ob die Regeln auch für die Mitglieder einer Wohngemeinschaft gelten, wird aber wohl erst in neuen Prozessen geklärt werden.

Und die WGs?

Vor rund einem Jahr hatte der BGH bereits entschieden, dass Eltern bei minderjährigen Kinder nicht deren Computer kontrollieren müssen, um sich vor Haftungsansprüchen zu schützen. In der Regel genüge eine Aufklärung über illegale Angebote im Internet und das Verbot, diese zu nutzen. Auch hier ging es um den Schutz des Familienfriedens.

Es fehlt noch ein BGH-Urteil, das die Haftung bei öffentlichen WLan-Netzen einschränkt. In Gaststätten und anderen öffentlichen Räumen sollte ein Netzzugang möglich sein, ohne dass der Anschluss-Inhaber persönlich für alle dortigen Nutzungen verantwortlich gemacht wird. Vermutlich wartet der BGH nur noch auf einen passenden Fall.

Im Ergebnis erschweren derartige BGH-Urteile natürlich die Tätigkeit von Abmahnanwälten. Denn diese kennen nur den Internet-Anschluss, von dem aus die Urheberrechtsverletzung begangen wurde. Wer der konkrete Täter ist, wissen sie nicht. Wenn sie sich nicht mehr an den Anschlussinhaber halten können, dürften sie in der Regel leer ausgehen. Denn sie tragen die Beweislast für ihre Ansprüche.

Mitgefühl für die Abmahnanwälte ist aber fehl am Platz. Wer 3.450 Euro für einen Serienbrief verlangt, hat kein Mitleid verdient. Ebensowenig wie Musikfirmen, die solche Anwaltskanzleien beauftragen, statt ihre eigenen Rechtsabteilungen zu nutzen.

Unter dem Strich haben die Abmahn-Aktivitäten das Urheberrecht auch nicht verteidigt, sondern eher seine Legitimität in weiten Teilen der (jüngeren) Gesellschaft in Frage gestellt. Der Ansatz der Bundesregierung, die Abmahnkosten zumindest zu deckeln, war deshalb richtig. Dass die Anwälte dies inzwischen mit neuen Tricks wieder unterlaufen, zeigt nur, dass sie nichts gelernt haben.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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1 Kommentar

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  • OE
    Onkel Emil

    Dieses ganze AbmahnUNwesen zeigt als solches, wie unfähig das deutsche Rechtssystem insgesamt ist, sich weiterzuentwickeln.

     

    Ingenieure entwickeln nicht nur neue Technik, sie arbeiten auch täglich an den Methoden mit denen sie dies tun. Sie denken ständig darüber nach, wie das neue Produkt besser, günstiger und leistungsfähiger werden kann. Sie denken auch darüber nach, wie es schneller, günstiger und besser entwickelt werden kann. Sie arbeiten nicht nur, sie arbeiten auch am System, wie gearbeitet werden soll.

     

    Was tun Richter? Gehen sie ständig nach immer gleichen Regeln vor? Überlegen sie nie, wie man Gerichtsverfahren schneller, gerechter und billiger machen könnte? Überlegen sie nie, wie sich Fehlurteile einfacher erkennen lassen? Beraten sie nie darüber, wie sich schneller einheitlichere Rechtsprechung umsetzen ließe?

     

    Sicherlich, Gesetze sind komplex. Software ist auch komplex. Jedoch haben Ingenieure und Informatiker die Anwendung von Software so vereinfacht, dass beinahe jedes Kind und jeder Senior damit umgehen kann, ohne jemals die Gebrauchsanweisung gelesen zu haben. Warum gibt es da auf Seiten der Gesetze keinerlei erkennbaren Fortschritt?

     

    Früher brauchte man für die Bedienung von Computern Mathematiker und Informatiker und viel, viel Geld. Heute kann es jeder und es kostet nicht viel. Früher brauchte man Rechtsanwälte und Staatsanwälte und Richter und viel, viel Geld und viel viel Zeit. Heute braucht man immer noch Rechtsanwälte und Staatsanwälte und Richter und viel, viel Geld und viel, viel Zeit. Na, klingelt's?