Kommentar Syrische Flüchtlinge: Zurück ins Körbchen!
Klar, ihr Syrer hungert da unten. Aber auch für Menschenrechte gibt es Zeitfenster. Ist das so schwer zu verstehen?
H eute schon gelacht? Bitte schön, der aktuelle Running Gag aus Syrien geht so: „100.000 Tote: UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ist besorgt. 200.000 Tote: Ban wird traurig. 300.000: Ban wird wütend. Und was macht Ban, wenn alle Syrer tot sind? Eine Konferenz!“
Heute schon gute Nachrichten gehört? Bitte sehr, die nächste UN-Konferenz zu Syrien ist bereits terminiert – auf den 23. Januar. Bis dahin verabschieden sich die Vereinten Nationen in die Winterferien.
Aber hallo: Bei dem viel wichtigeren Problem Iran ist man einen ordentlichen Schritt weiter gekommen. Und Assads Chemiewaffen sollen jetzt im Meer verklappt werden, irgendwie. Bleibt das Massensterben in Syrien, ja. Und es ist unschön, dass nicht mehr nur das Rote Kreuz oder Ärzte ohne Grenzen von einer humanitären Katastrophe sprechen, sondern auch die Mainstream-Presse mehr und mehr Berichte von hungernden und verhungernden Kindern bringt. Gerade erst haben sich Männer erdreistet, einen Löwen aus dem Zoo von Damaskus zu klauen und aufzuessen. Den Tieren geht es auch nicht gut.
Es war einfach der falsche Zeitpunkt für den Aufstand. Da haben sie sich verschätzt, auch für Menschenrechte gibt es Zeitfenster. Syrer, zurück ins Körbchen! Wir, die Menschenrechtserfinder und -verteidiger, wir sind im Stress, es ist bald Weihnachten, und ihr seid echt kompliziert. Die Zeit heilt Wunden, versteht ihr das nicht?
Irgendwie nicht. Irgendwie ergeben sie sich nicht in ihr Schicksal, sondern machen über die Grenze und bringen Unruhe in die Region. Und nach Europa. Da mussten wir dann doch etwas tun: Gleich nach dem ersten Advent werden wir im Mittelmeer Drohnen gegen Flüchtlinge einsetzen. Eurosur heißt das Programm. Das kostet uns zwar viel Geld, aber Frieden hat nun mal seinen Preis.
Dass die flüchtlingssensiblen Deutschen ungerührt bleiben können, dafür trägt die Große Koalition Sorge. In ihrem Vertrag erwähnt sie den „Syrienkonflikt“ zweimal und verspricht, sich im Rahmen der EU für eine Lösung einzusetzen. Heißt, Deutschland wird keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen, 5.000 von den etwa 2 Millionen reichen für die Republik. Um den Rest kümmert sich Eurosur.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Neue EU-Kommission
Es ist ein Skandal
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative