Kommentar "Süddeutsche Zeitung": Qualitätsblatt im Abschwung
Für den Neueigentümer ist die "Süddeutsche Zeitung" ein paar Nummern zu groß. Schon jetzt hat das Blatt Qualität einbüßen müssen.
Nun kriecht auch bei der Süddeutschen Zeitung die Katze langsam aus dem Sack. Zwar hört sich "21 Redaktionsstellen gestrichen" zunächst nicht nach dem ganz großen Kahlschlag an, doch die SZ baut schon seit 2008 massiv Stellen ab. Mehr Entlassungen seien nicht mehr drin, verkünden daher unisono Redaktionsausschuss wie Chefredaktion. Nur: Auch dieser Spruch ist nicht eben neu. Schon jetzt hat die SZ Qualität einbüßen müssen. Sie ist nicht mehr das Blatt, das sie vor fünf Jahren noch war.
Angesichts rückläufiger Werbeeinnahmen und der stagnierenden Auflage ist mit einer Trendwende nicht zu rechnen. Dass die neuen Gesellschafter, die sich für den Kauf der SZ hoch verschuldeten, auf ihre Renditen verzichten, ist ebenso unwahrscheinlich.
Steffen Grimberg ist Medienredakteur der taz.
Als nach der ersten Medienkrise Frankfurter Rundschau und SZ 2001 ins Schlingern gerieten, galt die Flucht unter das Dach eines Großverlags noch als Garant für das Überleben als Qualitätszeitung. Dies schien weniger riskant als die Zusammenarbeit mit Finanzinvestoren und aussichtsreicher als genossenschaftliche Modelle.
Die aktuelle Lage jedoch kratzt am Lack dieser "gestandenen Verleger": Bei der heute zum DuMont-Konzern gehörenden FR wird die Eigenständigkeit des Blattes durch die Kooperation mit der Berliner Zeitung aufgeweicht. Ab April kommen auch Politik- und Wirtschaftsberichte aus einer Zentralredaktion. Bei der SZ machen die Neueigentümer von der Südwestdeutschen Medienholding ihrem Image als Sparkommissare der Branche alle Ehre. Zudem scheint der Konzern, der ansonsten Regionalzeitungen verlegt, noch nicht den Kulturschock verwunden zu haben, dass er mit der SZ ein Blatt besitzt, das für seine Manager ein paar Nummern zu groß ist.
Die größte Herausforderung des Jahres steht der SZ noch bevor: Im Herbst geht Chefredakteur Hans-Werner Kilz. Wer ihm nachfolgt - ein Kandidat der Münchener Redaktion oder ein Favorit der Stuttgarter Konzernholding -, ist völlig offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsdrift der Union
Merz auf dem Sprung über die Brandmauer
Trumps Forderungen und die Bundeswehr
Aus lauter Angst
Probleme der „Tagesschau“
Flaggschiff in Schieflage
Traumareferent*in zu Aschaffenburg
„Viele Menschen werden erst in Deutschland richtig krank“
Neue Prognose für Bundestagswahl
Untenrum offen
Grünes Desaster
Der Fall Gelbhaar und die Partei