Kommentar Strommarkt: Planwirtschaft im Energiesektor
Das Design des Strommarkts stimmt nicht mehr, wir brauchen einen Kapazitätsmarkt. Doch was macht die Regierung? Stückwerk.
konomisch ist die Situation merkwürdig: Fossil befeuerte Kraftwerke sind zwar noch notwendig für die Versorgungssicherheit, sie sind aber unrentabel.
Der Grund dafür ist, dass das Design des Strommarkts nicht mehr stimmt. Von jeher werden an der Börse nur erzeugte Kilowattstunden verkauft. Heute aber brauchen wir im Interesse der Netzstabilität dringend einen zusätzlichen Markt, an dem auch Kapazitäten gehandelt werden. Dort müssen Kraftwerke Geld verdienen können, schlicht indem sie als Reserve bereitstehen. Man nennt das einen Kapazitätsmarkt.
Doch was macht die Regierung? Stückwerk. Da wird an einzelnen Stellen am System herumgedoktert, nämlich dort, wo man die größten Defizite erkannt hat. Das wäre noch tragbar, würde sich die Regierung deutlich zum Kapazitätsmarkt bekennen und erklären, sie brauche eine Übergangslösung, weil die Implementierung eines neuen Marktmodells Zeit kostet (was stimmt).
ist freier Journalist in Freiburg. Sein jüngstes Buch „Solare Zeiten“ (Picea) erzählt in Wort und Bild von den Anfängen der Solarenergie bis zur Energiewende nach Fukushima.
Doch kein Mensch weiß, wohin die Bundesregierung den Strommarkt entwickeln will. Stattdessen: allenthalben Sonderregelungen – wie die geplante Abschaltverordnung, die Unternehmen für kurzfristige Verbrauchseinschränkungen bei Engpässen entschädigen soll.
Klar, für den nächsten Winter erhöht das neue Gesetz die Versorgungssicherheit. Aber es ist – für eine schwarz-gelbe Regierung befremdlich – ein Stück Planwirtschaft. Denn es kommt dabei nicht zum Zuge, wer auf preisgünstigste Weise das Netz stabilisieren kann, sondern es geht allein darum, ehemaligen Monopolisten eine „angemessene Vergütung“ für den Weiterbetrieb von Kraftwerken zu bezahlen.
Und so bleibt ein Geschmäckle. Zumindest so lange, bis die Bundesregierung endlich sagt, wohin sie will: Will sie einen transparenten Kapazitätsmarkt schaffen oder nicht?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Der alte neue Präsident der USA
Trump, der Drachentöter
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens