Kommentar Straßenbauprojekt Bolivien: Dringende Denkpause für Evo
Der Mythos Morales als Umweltapostel ist dahin. Gegen den Protest gegen ein Straßenbauprojekt ging er mit Polizeigewalt vor - und riskierte die Spaltung seiner Basis.
D er Mythos des Evo Morales als Südamerikas führender Umweltapostel ist dahin. Mit der brutalen Auflösung eines seit Wochen andauernden Protestmarsches bolivianischer Tieflandindianer hat er ökosozialistischen Visionen auf dem Subkontinent - und darüber hinaus - einen schweren Schlag versetzt.
Auslöser ist nicht zufällig ein Straßenprojekt, das vor allem im Interesse brasilianischer Konzerne, aber auch des einheimischen Agrobusiness liegt. Es war schon kurios, wie der linke Präsident in seiner Rede an die Nation mit Dekreten neoliberaler Vorgängerregierungen argumentierte. Und doch ist er dabei konsequent: Die pragmatischen Teile jener rechten Oligarchie aus dem Tiefland, die ihn noch vor drei Jahre gewaltsam stürzen wollte, haben längst ihren Frieden mit der Regierung gemacht. Denn beide, "sozialistische" Regierung wie Unternehmer, setzten auf Wachstum und den Export von Rohstoffen, also "Entwicklung" im althergebrachten Sinne. Der Unterschied liegt darin, dass Morales & Co. den Aufbau einer nationalen Industrie anstreben, um durch wachsende Staatseinnahmen ihre Sozialprogramme zu finanzieren.
Entgegen aller Rhetorik strebt der Präsident einen Bruch mit der kapitalistischen Logik gar nicht an - gegen den mächtigen Nachbarn Brasilien wäre das auch kaum möglich. Die ständig von ihm und seinem Vize Álvaro García Linera vorgebrachte Unterstellung, die Straßengegner agierten im Interesse der Rechten und der US-Botschaft, hatte vor allem propagandistische Funktion.
ist taz-Korrespondent in Südamerika.
In Bolivien geht es jetzt auch um das Recht, überhaupt noch friedlich demonstrieren können. Mit dem Polizeieinsatz riskierte Morales die Spaltung seiner Basis. Ob die heftige Reaktion ihn dauerhaft zum Einlenken bringt, weiß er im Moment wohl nicht mal selbst.
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