Kommentar Sterbehilfe: Unheilige Allianz in Rom

Berlusconi und die katholische Kirche wollen einen Sterbehilfe-Fall mit einem Eilgesetz verhindern - nur um ihre Macht und ihren Absolutheitsanspruch zu demonstrieren.

Silvio Berlusconi und Papst Benedikt XVI.: Eigentlich sind diese beiden Männer meilenweit voneinander entfernt. Auf der einen Seite der feingeistig-rückwärtsgewandte Theologe, auf der anderen Seite der Spaßvogel mit ausgeprägtem Hang zu schlüpfrigen Scherzen, der seit bald drei Jahrzehnten Italiens TV-Zuschauern die tägliche Dosis halbnackter Mädchen verabreicht und als Politiker selbst auf internationalen Gipfeln gern den Gockel gibt.

Nichts verbindet die beiden - außer der Annahme, sie stünden über dem Gesetz. Italiens Gerichte mögen entschieden haben, dass Eluana Englaro nach 17 Jahren Koma sterben darf. Doch Berlusconi wie Papst Ratzinger halten die Beschlüsse für schlicht nicht bindend. Offensiv verkündet die Kirche, "das Leben" zähle "mehr als das Gesetz". Offensiv pflichtet Berlusconi, der immerhin einen Eid auf die italienische Verfassung geleistet hat, sofort bei und zeigt sich "verwundert" über den Staatspräsidenten Giorgio Napolitano mit "seinen juristischen Bedenken", weil der Berlusconis Eildekret gegen die Sterbehilfe nicht sofort abgezeichnet hat.

Fern von ethischen Fragen demonstrierte Berlusconi immer schon, dass Gesetze in seinen Augen vor allem für eines da sind: dafür, "passend" gemacht zu werden. Ob die Medien oder seine Querelen mit der Justiz - immer wieder ließ er sich Paragrafen maßschneidern. Jetzt unternimmt er diese Übung gleichsam im Fremdauftrag der katholischen Kirche.

Die darf sich darüber freuen, in Italiens Regierung ein williges Werkzeug zu finden, das das vatikanische "Naturgesetz" - sprich die Gegnerschaft gegen jede Form der Sterbehilfe - flugs zum alleinigen Maßstab erhob. Zwei Männer demonstrieren so, auf dem Rücken der Familie Englaro, die ganze Fülle ihrer Macht. Der eine gefällt sich in der Pose des strengen Hirten, der andere gibt den rücksichtslosen Macher, der mal eben in drei Tagen ein Gesetz durchpaukt. Mit einer ethischen Debatte über Sterbehilfe hat all dies nichts zu tun. Wohl eher schon mit einer Kirche, die erfüllt ist von vordemokratischem Absolutheitsanspruch, und einem Staat, der sich zu ihrem Handlanger macht. Unheiliger könnte diese römische Allianz nicht sein.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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