Kommentar Steigende Schülerzahlen: Der Bund muss übernehmen
Das Kooperationsverbot für Bildung gehört abgeschafft. Die Zahlungsfähigkeit der Bundesländer darf nicht die Chancen der Schüler bestimmen.
P rognosen haben den Nachteil, dass sie meist nicht stimmen. Ob es sich um Neubauten, Studierende oder im konkreten Fall Schülerinnen und Schüler handelt – immer staunt man, wie weit die Berechnungen hinter der Realität zurückbleiben.
Verantwortlich dafür sind nicht so sehr die orakeluntauglichen Behörden, sondern die Kultur der Mangelverwaltung, die gerade auch im Bildungsbereich vorherrscht. Frei nach dem Motto „Wird schon nicht so schlimm“ werden Herausforderungen erst dann angepackt, wenn man sie als Probleme bezeichnen muss.
Dabei stehen gerade Schülerzahlen ziemlich präzise sechs Jahre vorher fest, wenn nämlich die Grüße aus den Kreißsälen und die Geburtsanzeigen bei den Standesämtern eintrudeln. Trotzdem fehlen bereits heute in einer Großstadt wie Berlin mehrere hundert Schulplätze. Manche Schüler lernen in Containern und der Sportunterricht findet auch mal auf dem Gehweg statt, weil die Kapazitäten der Turnhallen nicht ausreichen.
Bundesweit fahnden die Länder nach LehrerInnen und ErzieherInnen und werben sie sich gegenseitig ab. Und das, obwohl doch ein paar Jahre zuvor nur ein paar vermeintlich irre Schwarzseher, aber keine ernstzunehmende Politikerinnen annahmen, dass diese tatsächlich in steigender Zahl gebraucht würden.
Bildung ist in Deutschland Ländersache, das soll gern auch so bleiben. Aber mit der Planung und Finanzierung des Bildungswesens sind die Länder und Kommunen überfordert, da versagt der Föderalismus. Bildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe und muss dementsprechend finanziert werden.
Das Kooperationsverbot im Bildungsbereich gehört abgeschafft, der Bund muss mit ran. Es darf nicht von der Solvenz des Landes oder der Kommune abhängen, ob Schulgebäude gebaut oder neue Lehrer eingestellt werden. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Bildungschancen ganzer Jahrgänge dem Prinzip des föderalen Durchwurstelns geopfert werden.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!