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Kommentar SpanienDas Ersparte ist weg

Reiner Wandler
Kommentar von Reiner Wandler

Die Immobilienblase ist geplatzt, die Wohnungen in Spanien verlieren dramatisch an Wert. Aber die Hypotheken müssen weiter abbezahlt werden.

D ie Frage drängt sich auf: Wer wird die Sanierung des spanischen Bankwesens bezahlen? Und die Antwort ebenfalls: Die Bevölkerung. Die Sparkassen die jetzt unter den Lasten der Immobilien zusammengebrochen sind, haben jahrelang einen Bauboom angeheizt, der eine ganze Gesellschaft mitgerissen hat. Ein ganzes Land spielte Monopoly. Investieren in Immobilien, hieß der Ratschlag, den Geldinstitute, Politiker, Wirtschaftswissenschaftler und Presse den Spaniern gaben.

Die Wohnungskredite waren billig, die Geldinstitute vergaben Hypotheken, die oft über dem lagen, was die Wohnung kostete – um vom reellen Wert ganz zu schweigen. Die Begründung: Die Preise steigen weiter. Es sei also ein todsicheres Geschäft. Viele stiegen ein. Wer vor den Gefahren der Blase warnte, wurde als Miesepeter abgetan, von links und von rechts.

Jetzt kommt die Rechnung. Bis zu 62 Milliarden Euro werden die angeschlagenen Banken und Sparkassen für die Gesundung ihrer Bilanz brauchen. Und das es Hilfe aus Brüssel nicht ohne Auflagen gibt, das wissen die Menschen in den Länder, die bereits unter dem Rettungsschirm sind.

Bild: taz
RAINER WANDLER

ist Spanien-Korrespondent der taz.

So verwundert es auch nicht, dass IWF und EU-Kommission von Spanien weitere Einschnitte im Sozialsystem fordern. Löhne und Gehälter im Öffentlichen Dienst und Arbeitslosenbezüge müssen gesenkt, die Mehrwertsteuer und das Rentenalter angehoben werden.

Millionen Spanier sind betroffen

Doch was die Spanier am härtesten treffen wird, ist der Verfall der Wohnungspreise. Sie wurden bisher von den Finanzinstituten künstlich hochgehalten, um ihre Bilanz zu schönen. Wenn jetzt die Immobilien aus nicht mehr bedienten Krediten in Bad Banks ausgelagert und dann verkauft werden, wird dies den Markt mit Sonderangeboten überschwemmen.

Gegenüber dem Höchststand 2008 werden – so prophezeien Kenner der Branche – die Preise um mehr als 50 Prozent sinken. Viele werden dann eine Hypothek abbezahlen, die in keinem Verhältnis zum Wert ihrer Wohnung steht. Es sind Millionen, die davon betroffen sind. Denn die Spanier kaufen traditionell. Nur in Ausnahmefällen wohnen sie zur Miete.

160 Familien werden im Schnitt täglich zwangsgeräumt, weil sie ihre Kredite nicht mehr bezahlen können. Sie verlieren die Wohnung. Doch ein Großteil der Kreditsumme bleibt. Anders als die Banken können die Menschen in Spanien ihre „toxischen Aktivposten“ nicht einfach abstoßen. Das ist das große Drama, das sich hinter der Bankenrettung verbirgt.

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Reiner Wandler
Auslandskorrespondent Spanien
Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.
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9 Kommentare

 / 
  • J
    Jan

    Die betrügerische Geldschöpfung von Privatbanken ist Schuld an der Krise.

     

    Prof. Hörmann:

    http://www.youtube.com/watch?v=gXCKyIqxE5k

     

    Banken schöpfen Geld bei der Kreditvergabe und verlangen dafür Zinsen (ohne die Zinsen zu schöpfen). D.h.

     

    Schulden = Geldmenge + Zinsen

    =>

    Geldmenge < Schulden

     

    Die gesamte Schulden können also nie abbezahlt werden, auch nicht von Deutschland. Um die Zinsen ab zu bezahlen muss immer wieder neues Geld geliehen worden... aber dann fallen wieder Zinsen an. Und diese Sklaverei ist genau was die Banken wollen. Sie leben davon.

     

    Und das sollte mal richtig in Taz erklärt werden.

  • H
    Hans

    Ein geistig sehr schlichter Artikel. Ich frage mich immer, wie man so etwas geistig Armes ernsthaft in einer Zeitung veröffentlichen kann, aber die taz kennt ja niveaumäßig echt keine Untergrenzen mehr- Gerade bei allen Themen, die in der Nähe zum Fachbereich "Wirtschaft" sind, zeigt sich der sehr enge Horizont der taz denn auch immer am ehesten. Wird es hier ernsthaft als seltsam dargestellt, dass es keinen Zusammenhanh zwischen dem Wert eines Hauses und dem Wert der Hypothek gibt? Das ist doch ganz logisch, auch ein Unternehmen, dem es wirtschaftlich schlecht geht, kann doch nicht einfach die Rückzahlung seiner Kredite verweigern. Traurig finde ich auch diesen nölenden "Die Banken sind doch eh alles schuld"-Unterton im Artikel - sachlich ebenso falsch wie geistig doch sehr schlicht.

     

    Ich finde es auch irgendwie tragisch, dass einer angeblich linken Zeitung wie der taz echt nicht mehr als dieses Dauer-Genöle und die "Die Reichen, also die Andern, sind es doch eh schuld, die sollen auch zahlen - ich will einfach nur Geld von denen bekommen, denn ich bin stinkfaul"-Dauerschallplatte zur Finanzkrise einfällt. Zum Gähnen.

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Und wieder sind es die Banken...

    Vielleicht sollte man mal den Aspekt erwähnen, dass die Deutschen ihre Immobilen mit einer Zinsbindungsfrist von i.d.R. 10 Jahren und mehr finanzieren. Das erste Risiko kommt somit frühstens nach 10 Jahren. Die Spanier jedoch würden einen Bänker auslachen, wenn er ihnen die "teuren" 10-Jahres-Konditionen anbieten würde, da die 3-Monats-Zinsbindungen (!!!) um einiges günstiger sind. Ein mögliches Zinsrisiko geht denen kräftigst am Arsch vorbei. Und schuld sind ... genau, die bösen Bänker. Nach deutschem System hätte es in Spanien in den letzten Jahren keine einzige Zwangsräumung aufgrund von Zinsanpassungsproblemen gegeben.

    Gehen wir vielleicht einfach mal davon aus, dass Spaniens Bürger erwachsene und mündige Menschen sind, die in der Lage hätten sein sollen vernünftige Entscheidungen zu treffen.

  • M
    Medienkritiker

    Irgendwie hat Herr Wandler einen Dreher in seiner Argumentation:

     

    Jeden der sich eine Wohnung zur EIGENNUTZUNG gekauft hat, sollte eigentlich der aktuelle Wert nicht interessieren, denn er bewohnt diese Wohnung ja - egal was sie wert ist. Diese Leute sind nicht von der Immobilienblase betroffen. Und die Hypotheken müssten sie sowieso bezahlen, unabhängig von der Wertentwicklung der Wohnung. Kein Grund, zu jammern!

     

    Anders sieht die Sache bei den Leuten aus, die sich die Wohnung gekauft haben um sie gar nicht selbst zu bewohnen und/oder demnächst wieder zu verkaufen. Das ist das Verhalten von SPEKULANTEN und warum sollte man mit denen Mitleid haben. Und vor allem, was geht das den dt. Steuerzahler an?

    Auch hier: Kein Grund zu jammern.

     

    Zu bejammern ist nur, daß der Autor eine unpassende Cross-over-Argumentation anwendet um seinem Artikel die gewünschte Rotz- und Wasser-Ausrichtung zu geben.

  • B
    brigi2401

    Ja, genau, all das Geld das die Spanier zur Betonierung ihrer Küsten benutzten, woher kam es denn. Es kam aus dieser gewaltigen Spekulationsblase, die seit Beginn der 2000er Jahre durch die Welt waberte, und nach lukrativer Anlage suchte. Auch die Spanier gingen dem auf den Leim, wie die US-Hausbesitzer, und die Iren und die Isländer.

    Und nun gehen wir dem ganzen auch noch auf den Leim, in dem wir alles in Grund und Boden sparen.

  • M
    Medienkritiker

    Irgendwie hat Herr Wandler einen Dreher in seiner Argumentation:

     

    Jeden der sich eine Wohnung zur EIGENNUTZUNG gekauft hat, sollte eigentlich der aktuelle Wert nicht interessieren, denn er bewohnt diese Wohnung ja - egal was sie wert ist. Diese Leute sind nicht von der Immobilienblase betroffen. Und die Hypotheken müssten sie sowieso bezahlen, unabhängig von der Wertentwicklung der Wohnung. Kein Grund, zu jammern!

     

    Anders sieht die Sache bei den Leutehn aus, die sich die Wohnung gekauft haben um sie gar nicht selbst zu bewohnen und/oder demnächst wieder zu verkaufen. Das ist das Verhalten von SPEKULANTEN und warum sollte man mit denen Mitleid haben. Und vor allem, was geht das den dt. Steuerzahler an?

    Auch hier: Kein Grund zu jammern.

     

    Zu bejammern ist nur, daß der Autor eine unpassende Cross-over-Argumentation anwendet um seinem Artikel die gewünschte Rotz- und Wasser-Ausrichtung zu geben.

  • TS
    Thomas Sch.

    Wie wäre es, wenn man Banken für miese Geschäfte haftbar machen könnte. Einen Herrn Nonnenmacher mal in die Arrestzelle sperren könnte. Die Damen und Herren, die die Hypo-Alpe-Adria-Katastrophe hingelegt haben, auf Hartz-IV runtersetzen würde. Das Problem bei diesen ganzen Politikergeschäften ist doch, daß die meisten der Damen und Herren, die da so großtuerisch meist von Wachstum rumsalbadern, überhaupt nicht kompetent sind, derartige Entscheidungen zu treffen. Wenn man sie vor Gericht zerrt, sind es ja dann meistens nur irgendwelche kleinen Staatssekretäre oder Referatsleiter, die die entsprechenden Daten vorgelegt haben. Und woher Letztere ihre Kenntnisse haben, fragt niemals kein Journalist mit einem einzigen Sterbenswörtchen jemals nach. Mal einen ganz lauten Negativtusch auf die Medien an dieser Stelle. Wahrscheinlich haben die ihre "Kenntnisse" ganz einfach aus dem Wirtschaftsteil ihres Provinzblattes. Und dort hat dann der zuständige Redakteur aus Gründen der Praktikabilität (oder sagen wir doch gleich lieber Faulheit) den Praktikanten mit der Vorlage eines Artikels beauftragt, daß der dann ja auch mal was machen soll. Der wiederum hat dann schnell noch Onkel Paul angerufen, weil der früher mal Wirtschaft studiert hat. So sieht wahrscheinlich heutzutage die Kette aus, an deren anderen Ende unsere Milliarden planlos ins Nirvana geschossen werden. Oweia, oweia, oweia. Nein: Es muß Verantwortung her. Jeder, der so einen Scheiß (sorry) zu verantworten hat, der muß ihn auch verantworten. Und zwar in echt. Nicht nur zurücktreten. Ich kann auch nicht zurücktreten, wenn ich meinem Bruder die 15.000 Euro nicht zurückgeben kann, nur weil ich es verbockt habe. Nein. ich komme ggf. sogar in den Knast. Zumindest aber wird mein Konto gepfändet. Die sch.... Politiker gehen alle immer straffrei aus. Das regt mich unheimlich auf. Und wenn dann mal ein Zuschauer mutig bei Plasberg die Wahrheit ausspricht, kommen die Politfressen (sorry, ja ich weiß) immer mit dem Populismusvorwurf. Die wissen überhaupt nicht mehr, daß wir der Souverän sind und nicht sie. Ich höre jetzt auf. Mein Blutdruck steigt schon wieder gefährlich.

  • AH
    Aus Haching

    Wären die Hypotheken höher, wenn die Immobilien im Wert gestiegen wären? Nein. Warum also sollten sie sinken, wenn die Preise sinken?

     

    Wenn ein erwachsener, geschäftsfähiger Spanier (oder Spanierin) der Meinung war, eine Wohnung für X € kaufen zu wollen und dafür ein Darlehen über Y € mit Zinsen in Höhe von Z % aufgenomnmen hat, dann ist besagter Spanier (oder Spanierin) für seine (ihre) Lage selbst verantwortlich. Dass der Bauboom nicht ewig weitergehen kann, war mindestens seit Mitte der Nuller Jahre offensichtlich. Die Banken haben doch nicht mit vorgehaltener Pistole verlangt, Kaufverträge zu unterschreiben.

     

    Übrigens: Ich bin bereit zu wetten, dass Polen in zehn Jahren dort ist, wo Spanien heute steht - vielleicht auch in zwölf oder 15, aber der Bauboom wg. niedriger Zinsen ist derselbe.

  • O
    ohno

    Das ist nicht nur ein "großes Drama", sondern eine große Sauerei.

     

    Nicht, dass nicht AUCH die Bevölkerung dafür zahlen sollte, aber eben erst recht die, die vorher bewusst viel Geld aus der Blase gezogen haben. Und da kann es auch keine Ausrede geben, dass "die Bevölkerung" es ja hätte besser wissen können.