Kommentar Sonderparteitag: Grüne Basis gegen grüne Spitze
Die Grünen-Basis hat auf dem Sonderparteitag die Notbremse gezogen und gesagt: So nicht! Die Partei verlässt den realpolitischen Kurs der vergangenen acht Jahre.
W er sich dermaßen lächerlich gemacht hat wie die Führung der Grünen in den letzten Wochen, der gehört abgestraft. "Ja" zum Afghanistan-Einsatz im Oktober - "Nein" - "Enthaltung" - "Nichtzustimmung" - "richtiges Ja" - "Richtiges Nein" - am Schluss stand alles zur Auswahl. Insofern ist es nur verständlich, dass die Grünen-Basis auf dem Sonderparteitag in Göttingen die Notbremse zog und gesagt hat: So nicht!
Katharina Koufen ist seit 1999 taz-Redakteurin und arbeitet im Parlamentsbüro der taz.
Für die Partei der Grünen heißt das: Ihre beiden Vorsitzenden werden sich überlegen müssen, ob sie sich in Zukunft nicht lieber erst hinter verschlossenen Türen einigen, anstatt ihre konträren Ansichten vor der ganzen Nation zu diskutieren. Und die Fraktionsspitze wird herausfinden müssen, ob sie eigentlich noch zu der Partei passt, die sie im Bundestag vertritt. Denn in Göttingen quittierte die Basis ihr schwarz auf weiß, dass sie die Meinung einer Minderheit vertritt.
Was jedoch viel schwerer wiegt, ist das Signal, das die Partei nach außen sendet. An die Öffentlichkeit und an die anderen Parteien geht von Göttingen die Botschaft aus: Die Grünen verlassen hiermit den realpolitischen Kurs, den sie seit 1999 verfolgt haben. Die Partei empfiehlt nun erstmals der Fraktion, der Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes im Oktober nicht zuzustimmen. Damit bricht sie mit der Kontinuität eines Engagements, das sie selbst als Regierungspartei vor sechs Jahren mitgetragen hat. All das Kleingedruckte, Taktische, das ja auch hinter dieser Haltung steht - es wird außerhalb der Partei kaum wahrgenommen. Wer versteht schon, dass die Grünen im Bundestag gegen etwas stimmen sollen, das sie eigentlich bejahen? Was draußen ankommt, ist: Die Grünen richten sich in der Opposition ein. Das wird mögliche Koalitionspartner für die Bundestagswahl 2009 abschrecken.
Partei- und Fraktionsführung waren nicht in der Lage, dies zu verhindern. Letztlich haben sie sich damit selbst bestraft: All die zarten Hinführungen zu möglichen schwarz-grünen oder schwarz-gelb-grünen Koalitionen werden damit zunichte gemacht. Die Basis wird eher damit leben können, weitere vier Jahre in der Opposition zu leben. Die Spitze der Partei dürfte das nicht überleben.
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