Kommentar Sicherungsverwahrung: Realistische Perspektive
Rechtssicherheit gilt auch für einen verhassten Personenkreis. Wir müssen diese Menschen ertragen, die Frauen vergewaltigt oder Kinder ermordet haben. Auch in Freiheit.
W er es bevorzugt, in einem demokratischen Rechtsstaat zu leben und nicht etwa in Libyen oder Nordkorea, kann nur zu einem Schluss kommen: Das Urteil aus Karlsruhe war zwingend und überfällig. Die irrationale Steigerung der präventiven Haft in den letzten Jahren war eine gesellschaftlich goutierte Aushöhlung fundamentaler Grundrechte. Und das ist viel beängstigender als freigelassene Sicherungsverwahrte.
Nach wie vor klatscht die Masse, wenn die "Bestie" (Bild-Zeitung) am Pranger steht. Sich darüber zu echauffieren, wenn die Kanzlerin sich öffentlich über den Tod des Massenmörders bin Laden freut, ist ähnlich bigott wie die Reaktion der Politik auf das Urteil der Bundesverfassungsrichter. Diejenigen, die mit ihrem Wahlkampfkalkül in den letzten Jahren populistisch die Straftatbestände ausgeweitet haben, begrüßen die richterlich verordnete Revolution.
Das ist imposant. Ob auch bei der breiten Masse die Einsicht einkehrt, dass Resozialisierung eben kein Firlefanz ist, der nur Geld kostet? Auch Straftätern, die Frauen vergewaltigt oder sich an Kindern vergangen haben, muss eine realistische Perspektive geboten werden, wieder in Freiheit zu kommen.
KAI SCHLIETER ist Schwerpunktredakteur der taz.
In einer Gesellschaft, die keine Postdemokratie sein will, ist es nicht hinnehmbar, die Rechtssicherheit für einen verhassten Personenkreis aufzuheben.
Aber was soll mit Tätern getan werden, die Frauen vergewaltigt oder Kinder ermordet haben? Wir müssen diese Menschen ertragen. Auch in Freiheit. Auch in unserer Nachbarschaft. Angst und Vollkaskomentalität sind die Kehrseite des politisch erzeugten Ausnahmezustandes. Die Gefahr für Kinder und Frauen geht statistisch nicht vom Fremden in Schwarz aus. Sondern vom Ehemann und Vater.
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