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Kommentar Semesterstart an den UnisLieber klagen als jammern

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Es gibt zu wenige Studienplätze - ein gesellschaftlicher Missstand. Bewerber klagen immer mehr. Mal wieder regeln Gerichte das Unvermögen der Politik.

W ie, kein Studienplatz für mich in Medizin? Was tut die Arzttochter, der Beamtensohn - nimmt sich einen Anwalt auf Mamis und Papis Rechnung und klagt sich ein. So einfach, so hinterfotzig kann man das sehen. So simpel ist es aber nicht. Dass die Zahl der BewerberInnen, die mit juristischem Beistand einen Studienplatz besetzen wollen, wächst, ist nicht allein dem verfestigten Anspruchsdenken verwöhnter Mittelschichtssprösslinge zuzuschreiben. Es verweist auf einen gesellschaftlichen Missstand, dem eine wachsende Zahl junger Leute auf individuelle Art und Weise begegnet.

Einklagen gibt es, seitdem sich die Hochschulen in den 1970er Jahren fürs Volk öffneten und zu Massenuniversitäten mutierten. Die Politik hat es in 40 Jahren nie geschafft, genügend Geld, also Studienplätze zu mobilisieren. Und mit den geburtenstarken Jahrgängen und den doppelten Abiturjahrgängen spitzt sich die Lage gerade wieder zu.

Klar ist: Nicht für jeden Jugendtraum muss es den passenden Studienplatz geben. Und eine Hochschule sollte durchaus Einfluss darauf nehmen können, welche BewerberInnen sie für welche Fächer und zu welchen Kriterien auswählt. Doch die Prognosekraft eines Abiturdurchschnitts - welcher gerade für stark nachgefragte Studiengänge das bestimmende Auswahlkriterium ist - darf bezweifelt werden. Ist man ein guter Mediziner, wenn man in Deutsch eine 1 hat? Kaum. Widersinnig ist es auch, wenn die Gesellschaft nach Ingenieuren und LehrerInnen schreit, die Hochschulen aber tausende Interessenten abweisen, weil sonst der Lehrbetrieb zusammenbrechen würde.

taz
ANNA LEHMANN

ist Bildungsredakteurin im Inlandsressort der taz.

Dass die Abgewiesenen hier zur Selbsthilfe, sprich zum Anwalt greifen, ist ein Akt verzweifelter Vernunft. Auch linke Studierendenvertreter stellen sich nicht mehr reflexartig gegen die Klageindustrie, sondern arbeiten mit ihr zusammen. Wie so häufig in Deutschland, wird die Justiz zur regelnden Instanz, weil die Politik versagt. Auch das kann man beklagen.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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5 Kommentare

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  • S
    Studentin

    Ich habe mich (mit einem Abischnitt von 1,4) auch eingeklagt an der HU-Berlin.

    Dafür habe ich 180€ bezahlt.

     

    In viele Studiengänge bzw. an vielen Unis klagen sich die Leute OHNE eigenen Anwalt an, sondern nur mit Unterstützung vom Asta. Das kostet dann bloß Verwaltungsgebühren.

    Sind also doch nicht immer Papis Lieblinge, die sich für teuer Geld ein Medizinstudium erklagen.

  • M
    Martina

    Es mag der Autorin ja entgangen sein, aber die Studienplatz-Einklage-Industrie macht in Deutschland Milliardenumsätze - das hat nichts mit Gerechtigkeit oder Ähnlichem zu tun, sondern mit knallharten Profitinteressen. Was nichts Negatives ist, nur absolut nichts mit Bildungsgerechtigkeit zu tun hat. Klagen kostet nun mal viel Geld, das hat man als Arbeiterkind nun mal nicht, insofern finde ich es verstörend, dass eine linke Zeitung wie die taz jetzt noch eine sich immer weiter ausweitende Klageflut propagiert. So wird der Augstieg durch Leistung völlig konterkariert, da sich der reiche Arztsohn ins Studium einklagt, der gleichkluge bzw. gleichdumme Arbeitersohn aber die finanziellen Mittel dazu nicht hat und eine Ausbildung oder Ähnliches machen darf.

    Warum die taz hier die amerikanischen Verhältnisse, alles und jeden wegen jedem Unsinn zu verklagen, als toll darstellt, erschließt sich mir nicht - früher hat man einfach mal gelernt und sich angestrengt, das braucht man heute an Uni ja nicht mehr. Fachwissen erwerben, Nächte durchlernen, endlose Tage in der Bücherei - Schnee von gestern, ich mache lieber Party und klage mich zum Master. Echt kein Wunder, dass die Chinesen und Inder uns auslachen.

  • Y
    yberg

    unsre jungen werden von beginn an zusammen mit den eltern zu bittstellern degradiert.,das geht los beim kitaplatz und endet noch lange nicht mit der schulwahl

    bei der freien berufswahl,der lehrstellensuche und/oder der späteren studienplatzsuche

    machen die kids ihre eigenen schmerzhaften erfahrungen.aber da is die andressierte bittstellerei noch nicht vorbei.bei allen

    grundversorgungsgütern mit mangelcharakter z.b. wohnen stehn sie auf dem schlauch.

     

    jahrgang 52 kann ich mich nicht erinnern,daß ich mich irgendwo zur gesichtskontrolle angestellt hätte außer im interzonen- oder flugverkehr.und selbst da flogen mitunter die fetzen,so daß man schon mal ein tag oder zwei in helmstedt oder in echterdinegn festsaß oder sonst wo.stimmt,die bayrische grenzpolizei nahm ihre pflicht ooch gewissenhaft wahr,dumpfbacken allesamt.Rudofhstein....

     

    heute steht die jugend breit geklopft mit ausgehängtem kreuz freiwillig vor den angesagten clubs an,um ihr geld ausgeben zu können.

    ich frach mich oft,ob die wirklich cool sind oder nur frost in der birne haben und keene opfer sondern täter sind,weil sie diese scheiße nicht boykottieren oder sogar offensiver angehn.

     

    die verantwortlichen würden sicher aufwachen...

  • P
    Philipp

    Niemand der ein gesuchtes Fach studieren will wird an seiner Abi-Note scheitern, und jedem angehenden Mediziner kann man auch nur raten vorher eine Ausbildung um Gesundheitswesen zu machen, dass bessert die Chancen auf einen Platz merklich.

    Und ganz ehrlich es gibt jetzt schon zu viele Akademiker die Pseudowissenschaftler und später verkrachte bürgerliche Existenzen werden, wenn der Staat ihnen nicht mit Projekten und Geld unter die Arme greift, dass er sich von den Werktätigen holt.

    Die angesprochenen Studentenvertreter sowie die Anwaltsindustrie sind teil des unterdrückerischen akademischen Wasserkopf.

  • M
    Mausu

    Dieses Desaster der Bildung ist typisch für die Union

    mit ihrem Schrei nach Studiengebühren.

    Mit den Gebühren sollten doch die Studienbedingungen

    verbessert werden.

    Die Situation ist der bildungspolitische Offenbarungseid.

    Man hat Steuergelder für die Rettung der Banken

    und des Euros, aber für den Ausbau und Modernisierung

    der Infrastruktur ist natürlich nichts mehr da.

    Es fehlen nicht nur Studienplätze, sondern auch Schulen, Kindergärten und sonstige Bildungseinrichtungen.

    So wartet in München ein Stadtteil Trudering

    mit 60 000 Einwohnern seit 30 Jahren auf Gymnasium.

    Die Stadt - SPD und die Grünen - würde bauen wollen,

    aber der Freistaat Bayern - CSU - ist dagegen.

    Dagegen weil ein städtisches Gymnasium zu privat ist im Zentralismus und auch mitgeteilt wird ,daß mit dem Bau auch andere Stadtteile ein Gymnasium haben wollen.

    Auch möge man das Plakat der letzten Landtagswahl einer CSU beachten :"Wir schaffen Chancen".

    Nicht nur Kapazitäten fehlen, sondern auch das Geld

    für Sanierung und Renovierung.

    So hat die Fakultät Medizin der LMU München einen

    Renovierungsrückstand von ca 300 Mio. Euro.

    Fehlende Studienplätze sind auch verbunden mit fehlender Forschung und fehlende Innovationen für

    die wirtschaft.

    Diese Politik der Union ist Verantwortungslos gegenüber den zukünftigen Generationen - man bringt sie um ihre Zukunft - und auch gegenüber uns allen.

    Wir haben Akademikermangel und Ärztemangel.

    Damit gefährden wir unsere Zukunft und unsere Gesundheit.