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Kommentar Schweiz und GaddafiKuhhandel mit Geiselnehmer

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Die Schweiz verhandelt hinter den Kullissen weiter über Gaddafis groteske Forderungen, anstatt ein Strafverfahren einzuleiten. Die letzte Geisel wird so nicht freikommen.

S taaten sind im Wesentlichen selbst dafür verantwortlich, ob sie sich erpressen lassen oder nicht. Das zeigt die Affäre um die beiden Schweizer, die der libysche Diktator Muamar al-Gaddafi jetzt schon seit über 20 Monaten als Geiseln hält. Ein Jahr lang setzte sich die Regierung in Bern nur sehr zögerlich für die Freilassung ihrer beiden Staatsbürger ein. Die Wirtschaftsbeziehungen mit dem nordafrikanischen Wüstenstaat und künftige Aufträge waren ihr wichtiger als grundlegende Menschenrechte.

Aus demselben Grund hielten weitere ausländische Regierungen und in Libyen tätige Unternehmen bis letzte Woche geheim, dass Gaddafi noch mindestens 50 weitere Menschen teils monatelang in Gefängnisse steckte oder an der Ausreise hinderte. Damit nahm der Diktator Rache dafür, dass sein Sohn wegen schwerer Körperverletzung von zwei Hausdienern im Juli 2008 - rechtstaatlich völlig korrekt - für 48 Stunden in Genf in Haft saß.

Hätten die Schweiz und die anderen betroffenen Länder sofort gegen Gaddafis schweren Völkerrechtsverstoß protestiert, die UNO eingeschaltet und internationale Visa-Restriktionen für libysche Regierungsvertreter durchgesetzt, als der Diktator die ausländischen Staatsbürger als Geiseln nahm, wären sie binnen Kurzem freigelassen worden. So wäre es auch nicht dazu gekommen, dass zehn Monate später Fotos von Hannibals Haft an eine Genfer Zeitung gelangten. Für diese Panne bei der Genfer Polizei hat sich die Regierung der UNO-Stadt jetzt zu Recht entschuldigt und sogar eine Entschädigung angeboten.

Bild: Kristin Flory

Andreas Zumach ist Schweiz-Korrespondent der taz.

Abgesehen davon lässt sich die Schweiz weiter erpressen. Statt endlich ein Strafverfahren gegen Hannibal Gaddafi wegen schwerer Körperverletzung zu verlangen, verhandelt Bern hinter den Kulissen weiter über Libyens völlig groteske Forderung nach einer Bestrafung der Polizisten, die für seine Festnahme verantwortlich waren. Daher ist nicht absehbar, wann die letzte Schweizer Geisel Max Göldi freikommt.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.

1 Kommentar

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  • D
    David

    Ich halte es für mässig sinnvoll einen Geiselnehmer zu provozieren, solange der sein Oper noch nicht freigelassen hat.

    Deutschland hat Erfahrung damit, unschuldige Geiseln für die Rechtsstaatlichkeit sterben zu lassen, die Schweiz Gott sei Dank nicht.