Kommentar Schweinegrippe-Aktionismus: Die Glücklichen
Der Hype um die bis jetzt sehr harmlose Schweinegrippe lässt die Politiker vor der Wahl nicht los. Denn wer bezahlt die irre hohe Zahl an Impfungen? Da hilft nur vertagen.
G lück lässt sich wohl am besten definieren als der Zustand, in dem sich der Mensch seine Probleme selber schafft. Sehr glückliche Leute müssen deshalb die Vertreter von Bund und Ländern gewesen sein, die am Montag im Berliner Kanzleramt zusammentrafen. Über was sie berieten, lässt sich Außenstehenden nicht leicht vermitteln.
Ralph Bollmann ist Leiter der Parlamentsredaktion der taz.
Es gibt in Deutschland seit einiger Zeit eine gewisse Aufregung um einen Virus, der sich von herkömmlichen Grippeerregern vor allem durch seine ausgesprochene Harmlosigkeit unterscheidet. Weil aber Wahlen bevorstehen, weil früher schon Politiker wegen eingebildeter Gefahren zurücktreten mussten und weil niemand schuld sein will in dem unwahrscheinlichen Fall, dass eben doch alles schlimmer kommt als erwartet - aus diesen drei Gründen muss die Politik, wie es so schön heißt, Handlungsfähigkeit demonstrieren.
Deshalb musste sich Gesundheitsministerin Ulla Schmidt vor zwei Wochen kurzzeitig ausklinken aus der Debatte über ihre Dienstwagennutzung - eine Debatte, die vom Glück eines Landes kurz vor der Krise noch mehr zeugt als die Angst vor der Grippe. Schmidt brachte die Krankenkassen dazu, bis zu 35 Millionen gesetzlich Versicherten auf Wunsch eine Impfung gegen den harmlosen Erreger zu bezahlen. Versicherten, die Vorsorgeprogramme gegen weitaus größere Gefahren seit Jahren ignorieren.
Noch viel unwahrscheinlicher als ein Massensterben ist allerdings, dass sich wirklich mehr als 35 Millionen Menschen impfen lassen. Schon weil die Pharmabranche trotz des Konjunkturprogramms so viel Impfstoff gar nicht liefern kann. Für diesen doppelt irrealen Fall wollten Bund und Länder besprechen, wie sie die Kosten unter sich aufteilen. Die Glücklichen haben sich vertagt.
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