Kommentar Schwarzer vs. Kachelmann: Schwarzer schlägt zu
Alice Schwarzer schickte "Post an Kachelmann" und vergleicht sadomasochistischen Sex mit Vergewaltigung. Es nervt echt, Alice – es ist Zeit, abzutreten.
A lice Schwarzer hat mal wieder zugeschlagen. Nervte sie doch schon in den 80er Jahren mit ihrer PorNo-Kampagne, in der behauptet wurde, Pornografie wäre per se frauenverachtend. In den 90ern legte sie dann mit einem expliziten Fokus auf sadomasochistische Pornografie – in Schwarzers Worten "Gewaltpornografie" – nach. Die schönen Fotos von Helmut Newton hat Schwarzer als "faschistisch" bekämpft. Und auch in der Causa Kachelmann mischt die Feminismus-Altmeisterin mit – man hätte die Uhr danach stellen können.
Anlass für eine öffentliche Erwiderung an Kachelmann war eine E-Mail vom Sonntagabend, in der er sich "höchstvorsorglich" darum bewarb, die EMMA-Redaktion zu besuchen. Um zu berichten, "wie sich vier Monate unschuldig im Knast so anfühlen". Der "geschätzten Kollegin Schwarzer" ließ er "schöne Grüße" ausrichten. Das hört sich sarkastisch an, ob es so gemeint war – unklar. Die ganze Mail liegt online nicht vor, Schwarzer zitiert lediglich ein paar prägnante Stellen und antwortet mit dem ellenlangen Beitrag "Post an Kachelmann".
An Jörg Kachelmann schrieb Schwarzer unter anderem: "Vielleicht geht Ihnen aufgrund Ihrer Sexualpraktiken aber auch alles durcheinander" und setzt Kachelmanns erotische Vorlieben direkt mit Vergewaltigung gleich: "Vielleicht wissen Sie gar nicht, dass das kein Spielchen ist, wenn eine Frau im Ernstfall Nein sagt, sondern Ernst. Und übrigens: Auch nette Männer vergewaltigen manchmal, Kollege Kachelmann. Leider."
Ob Jörg Kachelmann vergewaltigt hat oder nicht, wird vor Gericht geklärt. Es ist bislang nicht überliefert, ob die Frau "Nein" gesagt hat. Es ist zu hoffen, dass sich die verworrene Situation aufklären lässt und dass nicht die Medienkampagnen von der einen oder der anderen Seite bei dem Verfahren den Ausschlag geben.
Julia Seeliger ist Online-Redakteurin bei der taz. Bevor sie bei der taz zu arbeiten begann, hat sie jahrelang Frauenpolitik gemacht.
Sicher ist aber: Weder Sadomasochismus noch Promiskuität sind in Deutschland strafbar – zum Glück. Wenn sich Jörg Kachelmann und eine seiner Partnerinnen einvernehmlich entschieden haben, Fesselspiele zu betreiben, wenn sie sich entschieden haben, dass er sie schlägt, dann hat das mit Vergewaltigung nichts zu tun. Wenn die Frau "Ja" sagte und "Nein" meinte, ist das auch noch keine Vergewaltigung, so sehr Beziehungen mit ungleich verteilter Macht zu kritisieren sind.
Alice Schwarzer lag schon mit der PorNo-Kampagne falsch. Heute kommt noch die Verbohrtheit des Alters hinzu. Es ist Zeit, dass Schwarzer als Feministin Nummer eins abtritt. Frau – und Mann – kann die Ungleichheit der Geschlechter besser kritisieren, wenn Fakten eine Rolle spielen – und nicht die selbe misstönende Schallplatte, die Schwarzer seit mehr als 30 Jahren abspielt.
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