Kommentar Schwarz-Grün: Von Umfragen getrieben
Für einen Koalitionsbruch haben die Hamburger Grünen keinen glaubwürdigen Anlass. Der Rücktritt des juristisch angeschlagenen CDU-Finanzsenators Carsten Frigge hätte ihnen eher Erleichterung, denn Belastung sein müssen. Und Nachfolger Rüdiger Kruse war dem Koalitionspartner wie auf den Leib geschneidert: schwarz-grüner gehts nicht.
F ür einen Koalitionsbruch haben die Hamburger Grünen keinen glaubwürdigen Anlass. Der Rücktritt des juristisch angeschlagenen CDU-Finanzsenators Carsten Frigge hätte ihnen eher Erleichterung, denn Belastung sein müssen. Und Nachfolger Rüdiger Kruse war dem Koalitionspartner wie auf den Leib geschneidert: schwarz-grüner gehts nicht.
Nicht, dass es keine guten Gründe gäbe, die schwarz-grüne Koalition zu beenden. Die haben die Grünen nur allzu lange ignoriert. Allein das Scheitern des großen grünen Prestigeprojekts Schulreform im Juli wäre ein verdammt guter Grund gewesen, die Brocken hinzuwerfen - authentisch und konsequent. Spätestens als am selben Tag mit Ole von Beust der Spiritus Rector der Koalition frustriert von Bord ging, hätten die Grünen wissen müssen: Dieses Bündnis hat keine Zukunft. Aber die Partei verfiel in eine Schockstarre.
Aus der hätte sie wieder aufwachen müssen, als CDU-Bürgermeister Christoph Ahlhaus seine Regierungsmannschaft präsentierte: eine einzige Provokation für die grüne Seele. Ein Geheimdienstler wie Heino Vahldieck als Innensenator kann den Grünen per se nicht gefallen. Polit-Rambo Reinhard Stuth war schon als Kultur-Staatsrat an seinen kommunikativen Defiziten gescheitert und in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden - und wurde von Ahlhaus zum Senator befördert. Er war keine drei Wochen im Amt, da hatte er den ersten Intendanten vergrault, inzwischen hat er mit seinen unausgegorenen Spar-Dekreten die gesamte Kulturszene gegen sich aufgebracht. Und der neue Wirtschaftssenator Ian Karan ist ein geltungssüchtiger Unternehmer mit beträchtlichen Erinnerungslücken, was die eigene Biografie angeht. Dass er seinerzeit die Populisten von der Schill-Partei mit großzügigen Spenden bedacht hatte, ist nur das Tüpfelchen auf dem i.
Und die Grünen? Maulten irgendwas von "Bauchschmerzen" - und regierten einfach weiter, oder was sie dafür hielten: Schulsenatorin Christa Goetsch kehrte die Scherben ihrer Primarschule zusammen - nur um sich die Kehrschaufel ein ums andere Mal vom gewieften Gymnasial-Anwalt Walter Scheuerl aus der Hand schlagen zu lassen. Justizsenator Till Steffen blies einen ebenso wohlmeinenden wie wohlfeilen Vorschlag an die Justizministerkonferenz nach dem anderen heraus. Und Umweltsenatorin Anja Hajduk musste mit ansehen, wie der wachsende Widerstand - befeuert von den Springer-Medien - ihre Straßenbahn-Pläne ruinierte, eigentlich als allerletztes grünes Sieger-Thema auserkoren. Warum sich die Grünen das antaten? Es fällt schwer, dafür einen anderen Grund als den reinen Machterhalt zu sehen.
Die Absetzbewegungen der GAL begannen erst, als im Fahrwasser von Stuttgart 21 und Gorleben-Protest die grünen Umfrage-Werte bundesweit in die Höhe schossen. Da wurde plötzlich klar: Wir müssen hier raus! Fraktionschef Jens Kerstan holte den Hammer raus: Er demütigte Ahlhaus öffentlich, indem er ihm ein Ultimatum für die Ablösung von HSH Nordbank-Chef Dirk Jens Nonnenmacher setzte - und Ahlhaus kuschte. Den Grünen war wieder ein Ausstiegsgrund abhanden gekommen.
Nun haben sie es trotzdem getan, einfach so, noch nicht mal mit einem vorgeschobenen Grund. Das ist der pure Opportunismus. Aber Vorsicht: Die Hamburger GAL hat schon bisher nicht vom starken Bundestrend der Grünen profitiert. Und mit ihrem wahltaktisch motivierten Ausstiegsmanöver hat sie den Wählern gerade keine neuen Gründe dafür geliefert.
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