Kommentar Sauerlandprozess: Unvernetzt, nicht ungefährlich
Der erfreuliche Dilettantismus der Sauerland-Dschihadisten ist kein Grund, das Phänomen zu verharmlosen. Er erleichtert es aber, die rechtsstaatlichen Nerven zu behalten.
Im Prozess gegen die gescheiterten Sauerland-Attentäter hat sich das Düsseldorfer Gericht weder auf Debatten mit den Angeklagten eingelassen noch ein übermäßig hohes Strafmaß verhängt. Es hat die vier Angeklagten nüchtern ausgeleuchtet: keine Verbindung zu einem bedeutenden Netzwerk, keine übermäßigen konspirativen Fähigkeiten.
Offenbar war sich die Sauerland-Gruppe bereits während der Vorbereitungen bewusst, dass sie unter ständiger Beobachtung stand, und offenbar hat das die Mitglieder nicht davon abgehalten, den Staatsschützern ihren Plan vorzuführen. Das Bild der deutschen "Homegrown"-Dschihadisten wird damit ein wenig schärfer: Auch die beiden Kölner Kofferbomber, die vor zwei Jahren ebenfalls in Düsseldorf verurteilt wurden, erwiesen sich am Ende als "Wohnzimmer-Zelle" ohne Verbindungen. Die Frage, was bedrohlicher ist - ein internationales Netzwerk oder fanatische Einzeltäter, die auf eigene Faust operieren -, bleibt offen; zumal die beiden Kofferbomber von 2006 die Ermittler bis zuletzt ahnungslos ließen. Der Entschluss, dutzende Menschen zu ermorden, war in beiden Fällen da. Nur der Zufall wollte es anders.
Der erfreuliche Dilettantismus der "Homegrown"-Dschihadisten ist also kein Grund, das Phänomen zu verharmlosen, erleichtert es aber, die rechtsstaatlichen Nerven zu behalten.
So notwendig die nun gegebene strafrechtliche Antwort ist, so unzureichend ist sie aber auch. Ob die Spinnertesten unter den deutschen Dschihadisten sich von solchen Urteilen irgendwie beeindrucken lassen, ist ebenso ungewiss wie die Frage, ob das Erscheinungsbild der Sauerland-Angeklagten - sie zankten sich, gestanden alles und gaben sich am Ende reumütig - die Anziehungskraft dieser Szene vielleicht ein wenig brechen kann.
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