Kommentar Sarkozy: Der Unschuldsmime
Nach dem TV-Interview von Frankreichs Präsident Sarkozy zur Bettencourt-Affäre steht Aussage gegen Aussage. Sarkozys Version ist indes wenig plausibel.
Frankreich kann wieder ruhig schlafen oder getrost in den Urlaub fahren: Es war alles bloß falscher Alarm. Es gibt keine Spendenaffäre, keine politische Vertrauenskrise, keinen Justizskandal. "Frankreich ist kein korruptes Land", versichert der Präsident höchstpersönlich im Fernsehen, wo er sich selber und seinem Minister Erich Woerth ein Zertifikat für Ehrlichkeit, Integrität und Kompetenz ausstellt. Alles andere sei übelste Verleumdung durch professionelle Ränkeschmiede, die Sarkozy hinter gewissen kritischen Medien und Onlinediensten ausgemacht haben will.
Verschwörungstheorien sind sehr in Mode. Warum also sollen nicht auch hinter der Bettencourt-Affäre, die laut Sarkozy ausgerechnet platze, wenn er die Rentenreform lancieren will, böswillige Komplotteure aus den Reihen seiner skrupellosen Gegner stehen?
Der französische Staatschef sollte Bahnhofromane schreiben. Die Probleme mit seiner schwer angeschlagenen Glaubwürdigkeit hat er sich in Wirklichkeit selber eingebrockt. Und die angeblich so hinterrücks agierende Opposition ist leider nicht halb so rücksichtslos, wie der Präsident zu meinen vorgibt.
Noch harmloser war nur der Fernsehjournalist, der den Präsidenten befragen sollte. Er konnte oder durfte aber nicht mehr als Stichworte liefern, damit Sarkozy wie auf Knopfdruck die vorbereiteten Antworten gab und diesen mit Gesten und Grimassen mehr Überzeugungskraft zu verleihen versuchte. Auf den Fragesteller hätte Sarkozy für sein Selbstgespräch genauso gut verzichten können.
Nach dieser Nummer eines Selbstdarstellers steht in der Bettencourt-Affäre, zu deren Aufklärung der Präsident nichts Neues beigetragen hat, immer noch Aussage gegen Aussage: die Anschuldigungen einer Buchhalterin, einer Sekretärin und eines Butlers gegen die Rhetorik des Staatschefs. Die französischen Fernsehbürgerinnen und -bürger können sich entscheiden, wem sie mehr Glauben schenken wollen.
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