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Kommentar SaarlandDie Sozialdemokratie fehlt im Vertrag

Timo Reuter
Kommentar von Timo Reuter

Gut verhandelt, SPD! Doch die frühe Festlegung auf eine Koalition mit der CDU hat dazu geführt, dass sozialdemokratische Kernforderungen gar keine Rolle spielten.

Heiko Maas wird zwar unter Annegret Kramp-Karrenbauer Superminister, aber super viele sozialdemokratische Inhalte hat der Koalitionsvertrag nicht. Bild: reuters

D ie SPD im Saarland hat in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU das Maximale herausgeholt. Mehr war als Juniorpartner nicht drin. SPD-Chef Heiko Maas wird mit dem Superministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Arbeit belohnt, seine Partei besetzt die Hälfte der sechs Ministerien. Und sogar der Mindestlohn als Herzensangelegenheit der Sozialdemokraten wurde in den Koalitionsvertrag aufgenommen.

Doch so richtig überzeugt die SPD damit nicht. Das liegt nicht nur daran, dass die Koalitionäre die Schulden des Saarlandes durch ein hartes Spardiktat und weniger durch höhere Einnahmen abbauen wollen. Bei genauerem Hinsehen wirkt vieles, was jetzt ausgehandelt wurde, wie ein fauler Kompromiss. Besonders die Formel zum Mindestlohn. Während die SPD vor der Wahl eine Bundesratsinitiative zum gesetzlichen Mindestlohn wollte, heißt es nun, man wolle sich einer Verbesserung des Status Quo nicht in den Weg stellen. Mögliche Initiativen werden auf eine kommende Bundesregierung verlagert, aus dem Saarland wird dann höchstens reagiert, nicht agiert.

Auch der Verzicht auf das Sozialministerium dürfte viele Sozialdemokraten schmerzen. Zum Thema Leiharbeit, einem zentralen Wahlkampfthema der SPD, haben sich Vertreter beider Parteien bisher nicht geäußert.

Bild: privat
TIMO REUTER

ist Inlandskorrespondent der taz.

Dass der Koalitionsvertrag keine deutlichere sozialdemokratische Handschrift trägt, liegt an der alternativlosen Situation, in der die SPD auf eine starke CDU angewiesen ist. Und diese Situation ist selbstverschuldet. Die Entscheidung, sich vor der Wahl in der Hoffnung, stärkste Kraft zu werden, auf die CDU festzulegen, war ein Fehler. Das wurde bereits durch die Wahlniederlage deutlich und verbaut der SPD nun Handlungsspielraum.

Maas hätte Ministerpräsident einer rot-roten Koalition werden können. Er hätte dieses aufgrund taktischer und personeller Querelen schwierige Bündnis dann ja nicht eingehen müssen, aber allein durch die Option wäre er in einer besseren Verhandlungsposition gewesen – egal, ob mit der CDU oder der Linken. So hätte er mehr sozialdemokratische Forderungen durchzusetzen können.

Vielleicht hätte die SPD ohne diese frühe Festlegung ihre Wähler besser mobilisieren können und sogar die Landtagswahl gewonnen. Nun ist die SPD eben Juniorpartner „auf Augenhöhe“: Das war ihr offensichtlich wichtiger als sozialdemokratische Kernforderungen durchzusetzen.

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Timo Reuter
Autor
Jahrgang 1984, ist Autor der taz in Frankfurt. Bereits seit Kindertagen spielt er gern mit Worten. Hat deshalb Philosophie studiert (und Mathematik). Nach Stationen bei Radio (Spaß) und Fernsehen (Öffentlich-Rechtlich) schreibt er ein Buch (Grundeinkommen) und berichtet seit mehreren Jahren für die taz, die Frankfurter Rundschau, Zeit Online, den Freitag, das Neue Deutschland und verschiedene Lokalzeitungen über das politische Zeitgeschehen, soziale Bewegungen, gesellschaftlichen Stillstand, Medien, Fußball und über diejenigen, die sonst keine Stimme bekommen.
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12 Kommentare

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  • H
    Humbug

    Man kann von den Etablierten wählen wen man will-, man bekommt immer das vorgesetzt, was den Parteien in den Kram passt.Große Koalition bedeutet:wieder einmal mehr-,Stillstand. Nur nichts verändern-, den Schwanz einziehen, und alles so laufen lassen-, Hauptsache,die Pfründe stimmen. Was für ein erbärmliches Theater! Der Wähler:Dumm, dümmer am dümmsten.

  • E
    E.A.

    Es klingt hart und es tut auch weh, da ich einer traditionell sozialdemokratischen Familie entstamme: Die SPD ist heutzutage nur noch die Mätresse der CDU. Sie kann fordern was sie will, aber durch ihre einseitige Festlegung auf eine Koalition hat die CDU freie Hand das auch durchzusetzen.

  • S
    Stefan

    "Nun ist die SPD eben Juniorpartner „auf Augenhöhe“: Das war ihr offensichtlich wichtiger als sozialdemokratische Kernforderungen durchzusetzen."

     

    Solange es nicht zu einem Paradigmenwechsel bei der SPD kommt, wird das der Leitspruch der meisten der kommenden Wahlen werden.

     

    Mittlerweile muss man sagen, dass, wer sozialdemokratische Inhalte umgesetzt haben möchte, auf keinen Fall SPD wählen darf. Es ist utopisch anzunehmen, dass die SPD im Bund stärkste Kraft werden könnte. Es müssen die kleineren Parteien stärker- und die SPD schwächer werden, damit wirklich die linksliberale Mehrheiten in diesem Land sich auch in der Regierung widergespiegelt sieht.

     

    Aber vielleicht löst ja auch die Zeit dieses Problem: dann, wenn endlich die alten, persönlich beleidigten Betonköpfe von heute von der politischen Bühne abtreten und wieder Vernunft statt persönlicher Ressentiment herrschen.

     

    Nur, so fürchte ich, ist es bis dahin zu spät...

  • S
    saarlouis

    Das ist wirklich gut auf den Punkt getroffen: Der Fehler ist schon früher passiert und nun konnte eben kein "Wortbruch" mehr riskiert werden.

  • S
    Staatsbürger

    Einspruch Herr Reuter!

    Die SPD fehlt nicht im Vertrag, weil die CDU sich so toll durchgesetzt hat, sondern weil die SPD keine sozialdemokratische Partei ist. Sie hat ggf. an der ein oder anderen Stelle diesen Anschein, aber ist ansonsten eine rückwärtsgewandte neoliberale Volkspartei. Die Agenda 2010 der neoliberalen Schröderregierung ist so zu sehen, als wenn die Grünen Atomkraftwerke bauen lassen würden. Zu den kontraproduktiven Folgen ihrer Regierungszeiten, wie steigende Zahl der Leiharbeiter, Umverteilung der Vermögen von Unten nach oben, steigende Armut, nierdriges Wachstum durch Förderung einseitiger Angebotspolitik, Destabilisierung der Eurozone durch eben diese mittels Lohndumping, stagnierende und sinkende Löhne, weiterhin stagnierende Bildungsausgaben etc., also zu allem, was NICHT sozialdemokratisch ist, hat sich die SPD sich nicht bekannt.

  • K
    Kaboom

    Die Analyse hat IMHO einen signifikanten Fehler, nämlich die Annahme, dass sozialdemokratische Positionen von der SPD vertreten würden. Das ist schon seit mehr als 10 Jahren nicht mehr der Fall. Sozialdemokraten sind in der SPD eine verschwindende Minderheit, sozialdemokratische Positionen spielen keine relevante Rolle. Deshalb haben sie innerhalb der SPD eine Arbeitsgemeinschaft gegründet.

    http://www.ag-sozialdemokraten.de/

  • S
    Synoptiker

    Inhalte sind heute nicht mehr wichtig. Teilhabe an der Macht ist Motivation genug. Für Heiko Maas genügt der Zusatz "auf gleicher Augenhöhe", damit ist sein Ego geschmeichelt.

    Armselige Parteienlandschaft. Selbst bei den Piraten dominiert die Oberflächlichkeit, Hauptsache digital, was immer das bedeutet.

    Die frühe Festlegung der SPD und die Ausgrenzung der Linken wird sich noch rächen. Für 2013 wird es die SPD schwer haben. Und das ist gut so!

  • S
    Synoptiker

    Inhalte sind heute nicht mehr wichtig. Teilhabe an der Macht ist Motivation genug. Für Heiko Maas genügt der Zusatz "auf gleicher Augenhöhe", damit ist sein Ego geschmeichelt.

    Armselige Parteienlandschaft. Selbst bei den Piraten dominiert die Oberflächlichkeit, Hauptsache digital, was immer das bedeutet.

    Die frühe Festlegung der SPD und die Ausgrenzung der Linken wird sich noch rächen. Für 2013 wird es die SPD schwer haben. Und das ist gut so!

  • SR
    Sabine Rost

    Mich ueberrascht das nicht,das ist typisch SPD,links blinken und rechts abbiegen.Die lernen erst wenn sie mal unter 5% rutschen.Der waehler hat es in der Hand

  • B
    bee

    Die Sozialdemokraten opfern sich auf und nehmen die Rolle ein, die weiland die FDP innehatte: als Mehrheitsbeschaffer.

     

    Langfristig dürfte diese SPD noch mehr mit den Liberalen teilen.

  • J
    JGO

    Hat da jemand etwas anderes von Herrn Maas erwartet?

  • BG
    Bernd Goldammer

    Endlich mal wieder eine saubere Analyse in der TAZ. Ergebnis: Die Sozialdemokraten haben sich in der Tat überflüssig gemacht. Wer sich in die Fragen der Zeit einbringen möchte, muss mehr können als Gitarre spielen, wie Herr Maaß.Ergo:Parteipolitisch könnte Maaßlosigkeit eine durchaus vertretbare Reaktion sein. Es liegt schon genug Mehltau überm Land.