Kommentar SPD-Richtungsstreit: Beck investiert falsch
Die SPD diskutiert, wer vom Aufschwung profitieren soll. Parteichef Beck hat sich für die gefühlte Gerechtigkeit entschieden. Und blockiert so die Zukunftsfähigkeit des Landes.
In der SPD beginnt wieder eine Debatte über Gerechtigkeit. Mancher denkt, es ginge dabei um wolkige Begriffe. Aber das ist falsch. Denn die anstehende Frage ist sehr konkret: Wenn der Aufschwung mehr Geld in die Staatskasse bringt, wofür wollen wir es nutzen? Stecken wir es in heruntergekommene Schulen und Hochschulen? Oder erhöhen wir damit die Sozialausgaben, die sich bereits jetzt in schwindelerregender Höhe befinden?
Kurt Beck hat sich, assistiert von Andrea Nahles, entschieden. Er will erneut mehr Geld in die Arbeitslosenversicherung stecken und auch die Rentenausgaben erhöhen. Beck trifft eine Wertentscheidung - für den Sozialstaat à la Bismarck und gegen die Chancen junger Menschen. Wir erinnern uns: Es war in den 1880er-Jahren, als die Vorläufer der heutigen Kranken- und Rentenversicherung entstanden, in den 1920er-Jahren kam die Arbeitslosenversicherung hinzu. Bismarck hatte die Sozialdemokraten mit Sozialausgaben stillgestellt - und ihnen den Aufstieg durch Bildung verwehrt. Es ist absurd, dass die SPD heute eine ähnliche Politik verfolgt wie der Eiserne Kanzler damals.
Die Pläne von Beck, Nahles & Co. sind falsch. Sie befördern allein die gefühlte Gerechtigkeit. Und sie blockieren obendrein die Zukunftsfähigkeit des Landes. Die Kinder, die heute in Kindergärten und Schulen feststecken, sind die Beitragszahler, die morgen ein gigantisches Heer von Rentnern finanzieren sollen. Wie soll das eigentlich funktionieren, wenn sich unter diesen Kids ein Fünftel Risikoschüler, 10 Prozent Schulabbrecher und 40 Prozent ohne reguläre Ausbildung befinden?
Man hört schon, wie die Drehorgel anspringt: Wie kann man nur die Alten gegen die Jungen ausspielen! Es ist ungerecht, gegen die Kranken und Beladenen zu eifern! Dieses Argument ist uralt und hat nur einen Zweck: den Status quo einer zutiefst ungerechten Verteilung zu konservieren. Es gibt einen exzellenten Sozialstaat, der wesentliche Lebensrisiken absichert und summa summarum 700 Milliarden Euro kostet. Und es gibt ein Bildungssystem, das erwiesenermaßen unfair ist und in dem rund 50 Milliarden Euro jährlich fehlen. SPD-Chef Beck setzte gerade seine Prioritäten - aber er investiert falsch.
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