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Kommentar SPD-GeneralsekretärinWas Sozialdemokraten brauchen

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Sigmar Gabriels Wunschkandidatin ist sie nicht. Und doch könnte sich die künftige SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi als Glücksfall erweisen.

Gehört zur Parteilinken: Yasmin Fahimi. Bild: dpa

E s gibt zwei Arten von GeneralsekretärInnen. Durchgesetzt hat sich das recht monochrome Modell, das CSU-Mann Alexander Dobrindt verkörperte. Demnach geht es vor allem darum, die Gegner unablässig mit schwerem rhetorischem Gerät zu bearbeiten.

Früher gab es mal eine andere Interpretation dieses Jobs: Peter Glotz war eher strategischer Planer. Von der designierten SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi ist, wenn es gut läuft, wohl ein Mix von beiden Rollen zu erwarten.

Attacken auf die Konkurrenz sind angesichts der auf Konsens angewiesenen Großen Koalition und der überschaubaren Opposition nicht so zentral. Viel wichtiger sind die Probleme der Partei. Die SPD ist überaltert, sie ist eine Volkspartei im langen Sinkflug, die nicht weiß, was sie nach dem langwierigen Abschied von dem Modell Volkspartei sein wird. Das ist Kärrnerarbeit, in Talkshows kommt man damit nicht.

Aber es wird entscheidend sein, ob Fahimi Ideen hat, wie die Partei revitalisiert werden kann. Es ist ja offen, ob das Basisvotum zum Koalitionsvertrag nur ein machttaktischer Schachzug war, mit dem sich die Parteispitze mal rückversichern wollte. Oder ob dies eine Wendemarke war – weg von einer von oben dominierten, von der Ministerialbürokratie regierten Partei, hin zu einer offenen, atmenden Organisation.

Fahimi ist offenbar nicht Sigmar Gabriels Wunschkandidatin. Trotzdem entspricht sie – weiblich, relativ jung, mit migrantischem Hintergrund – dem Bild, das der SPD-Chef gern von seiner Partei entwirft. Auch politisch ist Fahimi ähnlich dehnungsfähig wie Gabriel. Sie gilt als Parteilinke, ist aber Funktionärin der rechtssozialdemokratisch gefärbten Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie.

Wenn es gut läuft, wird Fahimi eine eigene, von dem nahezu übermächtigen Parteichef und Superminister Gabriel unabhängige Stimme. Die SPD bräuchte das, dringend.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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4 Kommentare

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  • S
    Sören

    Diese Wahl ist zunächst einmal positiv, auch wenn die Personalie schwer einschätzbar ist (weil Fr. Fahimi ein unbeschreibenes Blatt ist). Die SPD wirkte in der Außendarstellung wie eine Partei der alten Männer, und wurde im Kern auch nur von ihnen gewählt. Deswegen schadet es in keiner Weise, wenn jetzt öfter eine Frau für die SPD spricht.

     

    Sie muss der Partei ein eigenständiges Profil geben, ohne den Eindruck zu erwecken, nicht konstruktiv innerhalb der Koalition zu sein. Die Frage ist, ob sie ein Vertrauensverhältnis zu S. Gabriel entwickelt, und zu einer Art geschäftsführenden Vorsitzenden (nach britischem Vorbild) werden kann.

     

    Es gibt 2 problematische Tendenzen in der SPD: Nostalgiker, die gedanklich in den 1970ern stecken, und Agenda 2010-Anhänger, die sich von den dahinter stehenden Thesen nicht lösen können. Beide Tendenzen eint, dass sie in der Vergangenheit feststecken. Wer aber immer nach hinten guckt, kann nicht vorwärts gehen.

     

    Die britische Labour party hat ein gutes Konzept entwickelt, bei der die traditionellen Werte der Sozialdemokratie wieder belebt und in den Mittelpunkt gestellt werden, diese Werte aber mit neuen Instrumenten durchgesetzt werden sollen. Dieser Ansatz passt in die Gegenwart, und könnte ein richtiger Ansatz für die SPD sein.

  • B1
    Be 1 bis 3

    Einen Partei jemand im Generalsekretariat braucht, der/Die anders ist als de Partei oder die Mehrheit ihrer Mitglieder, dann spricht das nicht gegen die Person, die dieses Amt erhält, sehr wohl aber gegen die Parteimitglieder.

     

    Am besten tauscht die Partei sich selbst aus.

     

    Wer sie dann noch wählt? Die bisherigen Nicht-Anhänger?

  • AU
    Andreas Urstadt

    ehm,

     

    Der u a SPD think tank Denkwerk Demokratie hat vier Vorsitzende, neben u a Nahles auch Fahimi.

     

    Es geht ergo entlang der neuen Richtung "Progressive Internationale" statt sozialistischer Internationale. Das ist viel wichtiger als das Kurzportrait der taz sagt. Die haben genau gewusst, was sie machen.

  • H
    Harald

    "Es ist ja offen, ob das Basisvotum zum Koalitionsvertrag nur ein machttaktischer Schachzug war, mit dem sich die Parteispitze mal rückversichern wollte."

     

    Für vier Jahre ist nichts mehr offen: Es ist egal, was die Partei intern diskutiert, denkt oder will, denn im Bundestag stehen 80 Prozent der Abgeordneten hinter Angela Merkel als Bundeskanzlerin. Stärkere Differenzen, noch im Sommer aktuell von SPD-Seite, sind nicht angesagt, sondern explizit abgesagt. Dass Fahimi irgendetwas bewegt, bewegen kann, ist doch schon jetzt extrem unwahrscheinlich. Der ganze Job ist obendrauf eine Art Himmelfahrtskommando, denn Fahimi arbeitet dort, wo der Spaß aufhört, wo es anstrengend ist und echte Gewinne nicht vorhanden sind. Dass sie dazu bereit ist, verwirrt. Sie sollte im Saarland bei Karlheinz Blessing anrufen - das wäre schlau gewesen. Hat sie wohl nicht getan und so geht die Sache ihren Gang. Bei Sanierungsfällen tauchen schnell Neulinge auf, tauchen wieder ab. Danach sieht es für mich aus, denn die große Koalition ist in der Organisation immer schlecht und organisatorische Probleme lösen, ist schwer und braucht viel Feuerkraft, Unterstützung und Solidarität - die dürfte ihr schnell fehlen. Schade eigentlich, vielleicht wäre Fahimi ein Neuanfang - aber an den glaube ich nicht, weil es zu sehr um Macht in der realen SPD geht. Neulinge werden knadenlos weggebissen.