piwik no script img

Kommentar Russland-PolenGedächtnisschwund in Russland

Klaus-Helge Donath
Kommentar von Klaus-Helge Donath

Moskau vergisst gerne beim Rückblick auf den Zweiten Weltkrieg seine Rolle im Baltikum und den Hitler-Stalin-Pakt. Putins Besuch in Warschau könnte die starren Fronten lösen.

E in Kniefall war von Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin beim Besuch Polens anlässlich des 70. Jahrestages des Beginns des Zweiten Weltkriegs nicht zu erwarten. Dass ohne Russland ein Sieg über die Nazis nicht möglich gewesen wäre, darüber besteht kein Zweifel.

Auch Deutschland stiehlt sich nicht aus seiner Verantwortung als Kriegsverursacher: Für Kriegsschuld und Genozid gibt es weder Relativierungen noch ein Verfallsdatum. Das Land hat den Demutsdiskurs inzwischen verinnerlicht, er gehört zum Selbstverständnis, so wie das Negative der eigenen Geschichte zum Konstituens der bundesrepublikanischen Identität geworden ist.

Ganz anders steht es um die Geschichte beim Sieger Russland, der die Hauptlast des Krieges zu tragen und ertragen hatte. Mit Inbrunst verteidigt Moskau seine spezifische Sicht auf den Großen Vaterländischen Krieg und die Rolle des Generalissimus Stalin. Bislang begann der Zweite Weltkrieg in der russischen Geschichtsdarstellung mit dem Überfall Hitlers auf die Sowjetunion 1941.

Die gemeinsame Aufteilung Osteuropas durch Hitler und Stalin hat in der offiziellen Kriegsgeschichte nicht stattgefunden. Polen- und Finnlandfeldzug, die Besetzung des Baltikums werden als regionale Konflikte ohne imperialen Impetus behandelt. Peinlichst achtet der Staat darauf, dass sich an dieser lupenrein aseptischen Version nichts ändert. Die jüngsten Versuche des russischen Geheimdienstes, Polen eine Mitschuld am Kriegsausbruch, ja Kumpanei mit Hitler zu unterstellen, waren bisher der traurige Höhepunkt.

Man mag es Geschmacklosigkeit oder auch Dummheit nennen. Russland fördert damit in jedem Fall, wogegen es antritt: die Schmälerung des eigenen Beitrags zum Sieg. Die Engstirnigkeit flößt den kleinen Nachbarn Ängste ein. Ein neues Russlandbild kann auf diesem Humus nicht entstehen.

Vor diesem Hintergrund überraschen Putins Visite und die gemäßigten Töne in und gegenüber Polen. Mit dem Besuch beim ungeliebten Nachbarn am Gedenktag zum Kriegsausbruch hat der Exkremlchef nolens volens Bewegung in das starre Geschichtsbild gebracht. Das Verhältnis zu Warschau entspannt sich deswegen nicht gleich. Aber für die Diskussion über den Krieg, dessen Beginn und Motive, öffnet es in den ahnungslosen Weiten Russlands zumindest ein Fenster.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • G
    gregor

    @Ruslan. Es geht nicht um die Objektivität, sondern um ein Image von Russland. Viele meinen, dass Russland hübscher sein wird, wenn es ein Schuldeingeständnis macht - egal für was. Es gibt nun mal eine Mode auf die Rhetorik der Schuld. Und dann wenn Moskau das zugesteht, dann erst kann man weiter nach London und verlangen, dass die Engländer sich für den Massenmord an deutschen Zivilisten entschuldigen. Dann ist der Kreis voll. Wenn jeder schuld ist und keiner unschuldig, so würde man mit der Last der Vergangenheit leichter leben.

  • RP
    Ruslan Poddubny

    Ich entschuldige mich für mein Deutsch, überraschend, kann da auch bekannte Tatsachen gegen Russland, nicht gegen diejenigen, die diese Tatsachen geschaffen.

    UdSSR nicht teilen Osteuropa, und gewann den westlichen Regionen der Ukraine und Weißrussland. Andernfalls müssten sie das besetzte Deutschland. Die baltischen Länder traten der Sowjetunion nach den Referenden. Russland Geheimdienste nicht selbst kommen mit dem Wunsch Polens, in den Krieg gegen die UdSSR zu beteiligen. Dies ist, Bordinstrumente. Der Artikel liest mindestens ein solches Dokument? Der Autor wiederholt eine Lüge, ohne ein einziges Argument, und ihm glauben. Russland sagt, was die Sowjetunion auf der Grundlage von Dokumenten und der gesunde Menschenverstand und sie nicht glauben. Es ist erstaunlich, dass die deutsche Ausgabe der englischen Version der Ereignisse werden sollte. Nach allem, Großbritannien führte eine Politik der einen neuen Weltkrieg. Hitler begann im Jahre 1939 den Krieg mit Polen, nicht die Welt, wie wir jetzt glauben. Es ist auch bekannt. Dies wird durch die Zurückhaltung der Wirtschaft in Deutschland und militärischen dem Zweiten Weltkrieg im Jahre 1939 bestätigt. Dies bedeutet, dass Deutschland nicht der Hauptautor dem 2. Weltkrieg war.

    Es ist seltsam, dass es der deutschen Ausgabe kann nicht objektiv zu beurteilen die Ereignisse von 1939 war.

  • S
    Stefan

    Schuldeingeständnis - uneingeschränkt ja. Dieses Eingeständnis beweist wahre Kraft und Größe, und eine (wissenschaftlich wohlfundierte) Relativierung würde diese Größe nur schmälern. Wer seine Schuld, und sei sie noch so klein oder groß, nicht einzugestehen vermag, stellt sich auf tönerne Füße und es soll unsere selbstlose Hoffnung als Deutsche sein, daß wir die Welt durch dieses unser Beispiel bessern werden. Demut - ja, im Wissen um die Vergänglichkeit alles menschlichen Tuns und Wollens.

     

    Stärke und Demut, denen weder beckmesserischer Revisionismus noch selbstgeisselnder Schuldkult des einen oder des anderen extremistischen Lagers gerecht werden können. Etwas wahrhaft Großes, was uns die Bundeskanzlerin heute mit auf den weg gegeben hat.