piwik no script img

Kommentar Russische ParlamentswahlEs bleibt die Imitation

Klaus-Helge Donath
Kommentar von Klaus-Helge Donath

Der Kreml hat den Bodenkontakt verloren. Mehr als zwei Drittel halten die Wahlen schon im Vorfeld für nicht fair. Die Legitimität der Herrschaft steht auf dem Spiel.

A m Sonntag geht Russland zur Duma-Wahl, und Kreml-Chef Dmitri Medwedjew nahm noch einmal die Gelegenheit wahr, den Bürgern die Essentials der Demokratie aus seiner Sicht zu erläutern. Ziel sei ein stabiles Parlament ohne Gegensätze, ein "Gesetzgebungsorgan, in dem die Mehrheit verantwortungsvolle Politik" mache.

Seit Wladimir Putin Russlands Geschäfte übernahm, ist die Sentenz eines Funktionärs der Staatspartei - "Das Parlament ist kein Ort für Diskussionen" - nicht nur zu einem geflügelten Wort, sondern zur Realität geworden. Sowenig in der Duma debattiert wird, so geringen Einfluss hat des Bürgers Stimme.

"Welche Partei wir auch gründen, heraus kommt immer die KPdSU", meinte der verstorbene Premier Wiktor Tschernomyrdin einst. Auf Wahlen übertragen, bedeutet dies: Auch der Sieger ist immer derselbe - die Staatspartei, ob sie nun "Geeintes Russland" heißt oder "KPdSU".

Der Autor

KLAUS-HELGE DONATH ist Russland-Korrespondent der taz.

Dahinter verbirgt sich nur ein anderer Name für den gleichen Inhalt. Russland ist eine nachahmende Demokratie, die westliche Begriffe übernimmt und sie mit dem gegenteiligen Inhalt füllt. Diese Form der Imitation ist immer noch die höchste Stufe russischer Produktivität.

Bislang hat der Souverän das hingenommen. Auch diesmal wird er nicht die Revolution ausrufen. Mehr als zwei Drittel halten die Wahlen aber schon im Vorfeld für nicht fair. Die Legitimität der Herrschaft steht auf dem Spiel. Das ist es, was die Putinisten fürchten. Denn Legitimität lässt sich nicht wie politische Aktivität imitieren. Der Kreml hat den Bodenkontakt verloren.

Auch der Kontakt mit dem Volk lässt sich nicht mehr imitieren. Bleibt noch die bange Frage angesichts des Wahlbetrugs: Sind die beiden Juristen Wladimir Putin und der von ihm zum Grüßaugust degradierte Dmitri Medwedjew auch nur Juristen-Imitate?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • T
    Torben

    Wer solche "lupenreinen Demokraten" hofiert spuckt den Menschen geradezu ins Gesicht:

    http://blog.fefe.de/?ts=b0251cd8

     

    Naja, die Russen haben bilig Gas, China billig Arbeiter, die Despoten Afrikas und Lateinamerikas kann man sich auch schönreden und lassen wir ruhig mal Fünfe gerade sein, solange es uns opportun erscheint. Wundern müssen wir uns natürlich nicht, wenn es in Europa auch bald wieder sehr hässlich wird. Schade.

  • H
    hakil

    Der im Westen hofierte Putin schafft nur eines:

     

    UdSSR reloaded