Kommentar Rückzug des Dalai Lama: Die Demokratie kommt von oben

Der Dalai Lama will seine Landsleute offenbar ermutigen, sich politisch mehr zu engagieren. Dennoch wird er nach innen wie nach außen wichtigste Figur bleiben.

Der Dalai Lama hat den Rückzug von seinen politischen Ämtern angekündigt - nicht zum ersten Mal, aber zwei Dinge sind bemerkenswert: Erstens waren derartige Ankündigungen in der Vergangenheit zumeist mit konkreten Ereignissen verbunden - beim Volksaufstand vom März 2008 zum Beispiel drohte er damit, sofern die Tibeter Gewalt ausübten. Zweitens werden die Abstände zwischen den Ankündigungen immer kürzer; zuletzt Ende November hatte sein Privatsekretär erklärt, der Dalai Lama erwäge, von seinem Amt als weltliches Oberhaupt zurücktreten.

Bemerkenswert ist auch der Zeitpunkt: Nach monatelangen Vorwahlen in den Exilgemeinden geht die Entscheidung über einen neuen Ministerpräsidenten im Exil am 20. März in die entscheidende Runde. Als Favorit gilt der Harvard-Absolvent Lobsang Sangay, der nicht zum tibetischen Establishment in Nordindien gehört.

Mit der Ankündigung will das tibetische Oberhaupt offenkundig die demokratischen Institutionen stärken und seine in Freiheit lebenden Landsleute motivieren, sich an dem Meinungsbildungsprozess zu beteiligen. Damit erhält die Wahl eine größere Bedeutung und der neue Amtsinhaber wird aufgewertet. Die Demokratisierung der Tibeter im Exil ist eine Demokratisierung von oben.

Klemens Ludwig ist freier Autor der taz.

Selbst bei einem Rückzug aus den politischen Ämtern wird der Dalai Lama nicht in der Versenkung verschwinden. Seine weit wichtigere Funktion als geistliches Oberhaupt ist davon unberührt. Er bleibt für den tibetischen Freiheitskampf die wichtigste Integrationsfigur nach innen und der überzeugendste Vermittler nach außen.

Die Tibeter sind jedoch gut beraten, die Botschaft zu hören und in der Entwicklung ein Chance zu sehen, statt - wie in der Vergangenheit - den Dalai Lama zu bitten, den Rückzug vom Rückzug anzutreten.

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