Kommentar Rücktritt von Japans Premier: Eine zweite Chance
Premier Yukio Hatoyama hat den überwältigenden Wahlsieg der Demokratischen Partei komplett verspielt. Ein Neuanfang der DPJ mit frischen Gesichtern kann das Reformprojekt retten.
I n nur neun Monaten hat Premierminister Yukio Hatoyama den überwältigenden Wahlsieg der Demokratischen Partei (DPJ) verspielt. Seiner Mitte-Links-Reformkoalition ist es nicht gelungen, ihre hehren Ansprüche („Brüderlichkeit“, „Das Volk zuerst“) in pragmatische Politik umzusetzen.
Die Durchleuchtung von Subventionen führte nicht zu den notwendigen Einsparungen im Staatshaushalt. Das neue Kindergeld und die Abschaffung der Schulgebühren werden daher auf Pump finanziert – dabei ist Staatsverschuldung nichts anderes als eine versteckte Steuererhöhung. Für die Verlegung der verhassten US-Militärbasis Futenma von Okinawa auf eine andere Insel oder außerhalb von Japan fehlten Hatoyama die richtige Strategie und genügend Durchsetzungskraft.
Die USA brauchten daher nur zuzusehen, bis Hatoyama mit seinem Versprechen scheiterte, für Futenma bis Ende Mai einen neuen Standort zu finden. Dabei diskreditierte der DPJ-Chef auch sein Vorhaben, dass sich Japan von seinem Vormund USA außenpolitisch unabhängiger macht.
Doch durch den Rücktritt von Hatoyama und von DPJ-Generalsekretär Ichiro Ozawa erhält das japanische Reformprojekt eine zweite Chance. Ein Neuanfang mit einem frischen und jungen Gesicht wie Verkehrsminister Seiji Maehara könnte die Begeisterung der Wähler für Reformen und Veränderungen neu wecken.
Ozawa beherrscht zwar die Maschinerie zum Gewinnen von Wahlen, aber er stolpert seit Jahren von einem Spendenskandal zum nächsten. Hatoyama hat sich daher um seine Partei verdient gemacht, als er Ozawa zum gemeinsamen Abgang zwang. Ohne ihren zwielichtigen Strippenzieher kann die DPJ endlich glaubwürdig behaupten, mit den korrupten Traditionen der liberaldemokratischen Zeiten gebrochen zu haben. Hebt die DPJ jedoch am Freitag einen Ozawa-unkritischen Politiker wie Finanzminister Naoto Kan auf den Schild, droht bei der Oberhauswahl in fünf Wochen eine deftige Niederlage.
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