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Kommentar Rücktritt von BeustGesunder Egoismus

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Der Rücktritt von Ole von Beust kommt nicht überraschend. Denn der Kampf für die Schulreform war am Tag des Volksentscheids vorbei – unabhängig vom Ergebnis.

E igentlich völlig normal: Hamburgs CDU-Bürgermeister Ole von Beust wird zurücktreten. Wie er richtig sah, hatte er nichts zu verlieren - und schon gar nichts zu gewinnen. In der überschuldeten Stadt muss drakonisch gespart werden, und beim Millionengrab Elbphilharmonie droht ein Untersuchungsausschuss. Zudem ist schon jetzt in Umfragen abzulesen, dass die CDU die Bürgerschaftswahl 2012 verlieren wird. Insofern kalkuliert von Beust kühl, dass er diese Niederlage lieber einem Nachfolger überlässt.

Der gesunde Egoismus ist also nicht zu übersehen, der von Beust nun veranlasst, sich in sein Ferienhaus auf Sylt abzusetzen. Damit verstößt er gegen das moralische und ästhetische Empfinden vieler Wähler, die von ihren Politikern verlangen, auch in widrigen Zeiten durchzuhalten. Allerdings ist nicht zu sehen, was Selbstaufopferung noch gebracht hätte. Positiv gewendet: Von Beust hat seine politische Aufgabe erfüllt.

In seinen letzten Amtsjahren stand von Beust für eine doppelte Mission: Er wollte seine Partei für schwarz-grüne Koalitionen öffnen und er hat begriffen - durchaus mit Nachhilfe der Grünen -, dass die Union ihre Bildungspolitik modernisieren muss. Denn es lässt sich nicht mehr ignorieren, dass Migrantenkinder kaum Chancen haben.

taz

Ulrike Herrmann ist Meinungsredakteurin der taz.

Beide Missionen kulminierten in einem Symbol: dem Kampf für die sechsjährige Primarschule. Dieser Kampf war am Tag des Volksentscheids vorbei - unabhängig vom Ergebnis. Denn in Hamburg sind Volksentscheide bindend. Die Macht wird damit vom Parlament auf die Bürger verlagert, der Bürgermeister wird vom Politiker zum ausführenden Organ. Daher war es konsequent, am Tag des Volksentscheids zurückzutreten.

Der Abgang des Freiherrn wird bundesweite Diskussionen auslösen, denn von Beust ist der sechste CDU-Landesvater, der innerhalb von zehn Monaten sein Amt verlässt. Althaus und Rüttgers haben Wahlen verloren, Koch sah wie von Beust eine Niederlage voraus. Oettinger und Wulff retteten sich auf attraktivere Posten. Kein Zweifel, die CDU erodiert. Viele werden diesen Zerfall Kanzlerin Merkel anlasten. Sie werden ihren moderierenden Führungsstil beklagen oder konkrete Inhalte vermissen. Dabei hat Merkel gar keine Chance. Jede Bundesregierung verliert Zustimmung in den Ländern. So sind die Deutschen. Also alles völlig normal. Eigentlich.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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5 Kommentare

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  • K
    K.O.

    Es ist schon seltsam: Mit großer Geste treten Leute von Posten zurück in die sie gewählt werden wollten. Scheinbar immer aus privaten Gründen. Aber was können das für niedere Beweggründe sein wenn man seine Aufgaben nicht mehr erfüllen will. Keiner dieser Leute ist krank oder muss eine Verwandte pflegen. Warum gerade PolitikerInnen gern zurück treten hat bestimmt auch was damit zu tun, dass sie aufgrund ihrer guten Kontakte sofort eine gut bezahlte Arbeit bekommen. Man muss es sich in der heutigen Zeit wirklich leisten können einfach so zurück zu treten. Während man Hartz IV-ler dazu zwingen will jede nur erdenkliche Tätigkeit auszuüben, werfen privilegierte und in ihre Ämter gewählte Personen ihre Verantwortung einfach über Bord. Das ist ein Luxus den viele andere Bürger auch mal genießen wollen würden. Wenn man keine Lust mehr hat einfach zurück treten und ausgesorgt sein. Das man nicht mal mehr dem Koalitionspartner vorher Bescheid sagt ist wirklich eine neue Qualität. Und solche Leute die irgendwann später eine ordentliche steuerfinanzierte Rente erwartet nennen sich auch noch 'bürgerlich'. Wenn dem so ist: good bye Bürgertum! Euch braucht wirklich niemand!

  • R
    reblek

    "Althaus und Rüttgers haben Wahlen verloren... Oettinger und Wulff retteten sich auf attraktivere Posten." Keineswegs. Althaus und Rüttgers haben eine Wahl verloren. Oettinger und Wulff retteten sich auf einen attraktiveren Posten.

  • FN
    Felix Nagel

    Wenn so ein kritikloses Allgemeinplätzchen die Meinung der Frau Herrmann zu Hernn Beust (der immerhin nach 9 Jahren im Amt festgestellt hat das HH pleite ist) darstellt, sollte sie dringend ihren Beruf wechseln. Oder sich auch ein Ferienhaus auf Sylt kaufen.

  • A
    atypixx

    "Denn in Hamburg sind Volksentscheide bindend. Die Macht wird damit vom Parlament auf die Bürger verlagert, der Bürgermeister wird vom Politiker zum ausführenden Organ. Daher war es konsequent, am Tag des Volksentscheids zurückzutreten."

     

    Nach jedem Volksentscheid also ein Rücktritt? Interessante Ableitung.

  • J
    jan

    In einer Demokratie sind Politiker immer ausführende Organe des Bürgersouveräns. Alles andere ist keine Demokratie mehr.

    Der Hamburger Volksentscheid mit seinem medialen Echo wird in seiner Bedeutung über das eigentliche Thema hinaus unterschätzt: er war eine Übung in praktischer und echter Demokratie und damit der Anfang vom Ende dieser fremdgesteuerten, die Interessen des Souveräns mit Füßen tretenden Parteienherrschaft.