Kommentar Rot-grüne Bildungspolitik: Streberland bleibt Streberland
Die neue Regierung plant in Baden-Württemberg die Schul-Empfehlung nach Klasse vier abzuschaffen und Ganztagsschulen einzuführen. Das ist in anderen Ländern längst passiert.
D roht Baden-Württemberg der Untergang? Den Eindruck bekommt man bei den Kommentaren konservativer Meinungsmacher zur Bildungspolitik in Baden-Württemberg.
Aber ehrlich: Was die designierte Regierung hier plant - die Schulempfehlung nach Klasse vier abzuschaffen und Ganztagsschulen zur Regel zu machen, Gemeinschaftsschulen zuzulassen, Studiengebühren zu streichen -, ist in anderen Bundesländern längst die Regel. Durch solche Reformen wird das Streberland nicht sitzen bleiben.
Aber das bekannte Problem, dass Bildungskarriere entscheidend vom Elternhäusle abhängt, wird endlich angepackt. Die CDU-geführte Regierung weigerte sich, darüber nachzudenken, ob es noch zeitgemäß ist, Kinder nach vermuteten Begabungen in Schulformen zu zwingen. Stattdessen brüstete sie sich mit der Durchlässigkeit ihres Schulsystems. Durchlässig heißt im Südwesten: Das Professorenkind reüssiert am klassischen Gymnasium, Ahmed nach der mittleren Reife am beruflichen Gymnasium.
ANNA LEHMANN, Jahrgang 1975, ist Bildungsredakteurin der taz.
Doch die Verlierer der starren schulischen Segregation konnte Schwarz-Gelb auch nicht ignorieren. Ein Jahr vor der Landtagswahl setzte die Regierung daher einen Expertenrat ein, der Vorschläge erarbeiten sollte, wie der Bildungserfolg von der sozialen Herkunft zu entkoppeln sei. Der Bericht empfiehlt Ganztagsschulen für Grundschüler, abgesehen von gymnasialen keine Schulempfehlungen mehr auszusprechen, problematische Hauptschulen zu schließen und die besseren den Realschulen gleichzustellen.
Über Gemeinschaftsschulen durfte der Rat nicht schreiben, aber sonst lesen sich die Vorschläge wie die Vorhaben von Grün-Rot. Insofern ist Grün-Rot ein würdiger Nachlassverwalter von Schwarz-Gelb.
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