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Kommentar Rot-Grüne SondierungsgesprächeDie A100 ist eine Frage des Prinzips

Kommentar von Stefan Alberti

Können die Grünen die A 100 nicht abhandeln, müssen sie aufs Regieren verzichten. Sonst ist es mit der Glaubwürdigkeit vorbei.

ber Guido Westerwelle kann man eine Menge weniger schöner Dinge denken. Etwas Bewundernswertes aber hat er nach der Bundestagwahl 2005 getan: Er, der vermeintliche Opportunist, ließ sich auch mit Ministerposten nicht von Gerhard Schröder in eine Ampelkoalition locken, die die FDP zuvor abgelehnt hatte. Die Frage vor der heutigen rot-grünen Sondierung ist: Bleiben die Grünen ähnlich standhaft, falls Klaus Wowereit sie vor der Wahl stellt, die A 100 zu bauen oder in der Opposition zu bleiben.

Damals stellte Westerwelle schon am Wahlabend fest: Man stehe für eine Ampel und ähnliche Hampeleien nicht zur Verfügung und gehe erhobenen Hauptes in die Opposition. Die Grünen waren hingegen am Wahlabend und am nächsten Morgen viel vorsichtiger und gar nicht kategorisch beim Thema A 100.

Ein möglicher Ausweg aus dem Dilemma wäre eine Volksbefragung. Das aber hatten sowohl SPD wie Grüne ausgeschlossen. Auch eine nochmalige Überprüfung im Bundesverkehrsministerium, wie sie angeblich diskutiert wird, verspricht keinen Erfolg: Warum sollte sich ein CSU-Minister plötzlich darauf einlassen, dass in Berlin Autobahngelder in andere Straßen investiert werden?

Natürlich könnten sich die Grünen hinstellen und sagen: Wenn wir "Nein" sagen und aufs Regieren verzichten, freut sich bloß die CDU - gebaut wird die A 100 erst recht. Aber mit derselben Begründung könnte auch einer in einem Erschießungskommando seinen Schuss rechtfertigen. Können die Grünen Wowereit die A 100 nicht abhandeln, müssen sie aufs Regieren verzichten, sonst ist es mit ihrer Glaubwürdigkeit vorbei.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.

18 Kommentare

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  • HS
    Hans Stoffel

    Die plötzliche "Standhaftigkeit" der sprichwörtlichen "Umfallerpartei" war nicht konsequent, sondern einfach nur kalkuliert: in der Ampel würde sich die FDP als Hampelmann aufreiben, und eine große Koalition - die absehbare Alternative - bedeutet wenig rot, gar kein grün, dafür viel bürgerliche Politik im Sinne eines Westerwelles. Und aus der Opposition heraus kann man diese dann in nochmals verschärfter Form einfordern, um dann bei der nächsten Wahl beim entsprechenden Klientel umso besser zu punkten - und dieses Kalkül ist voll und ganz aufgegangen, wie wir alle inzwischen wissen.

     

    Für die Grünen stellt sich die Situation vollkommen anders da: Jetzt würde eine große Koaltion in Berlin nicht zu einer grün näheren Politik führen, weil dadurch eine ideologisch näher stehende Partei die Regierungsführung übernimmt, sondern zu einer umso mehr "entgrünten" Politik führen - eine rot-schwarze Regierung in Berlin würde in den kommenden 5 Jahren einen Schaden zu Lasten der Menschen anrichten, der kaum wieder zu reparieren sein wird. Ist es zu verantworten, diese Konsequenz wegen einem kurzen Stücks Autobahn zuzulassen? - Dies ist die Frage, vor der die Grünen in Berlin heute stehen. Und die ist mit Nichten mit dem bequemen "Nein" zur Ampel eines Westerwelles von damals zu vergleichen.

     

    Es wäre wünschenswert, wenn die TAZ anstelle dieser unpassenden Vergleiche (Westerwelle oder gar das Erschießungskommando) dieses Dilemma mal angemessen darstellen würde.

     

    Es grüßt Euch: Stoffel

  • VO
    von oben regieren

    Wenn die Grüne Basis Computer benutzen würde, hätten sie Künast entweder klargemacht, auf die Abgeordnetenmandate finanziell zu verzichten bevor die A4 gebaut wird und weiterzuarbeiten und steuern zu bezahlen (leere Sitzplätze usw.) und opposition von zeu Hause zu machen oder das jeder SPD-Abgeordnete und grüne abgeordnete auf 10% seines Gehaltes verzichten muss wenn die A100 gebaut wird. So herum macht man heutzutage kurze Koalitionsverträge statt 1000seitige Gelb-Schwarze oder Rot-Grüne verträge wo finanzkrise, umts, ausbau für alle, lehmann, griechenland usw. dann doch nicht vorkommen. Wenn der Koalitionsvertrag alles erledigt, muss man keine Abstimm-Strohmänner mehr bezahlen. Aber die grüne basis lässt sich lieber wie Palin-Fans und Papst-Fans von Oben regieren.

     

    Wieso überzeugt keiner Linke+Piraten zur Koalition ? Oder reichen die Stimmen nicht ? Natürlich nach neuen Koalitionssystemen wo man weniger sein gesicht verliert und alle neuen Koalitionen sich daran anpassen müssen. Doof nur das Piraten sowas nicht als Problem ansehen und auch nicht demokratischer wie die Timoschenko-Fans oder Libyer sind.

  • H
    Hammondorgler

    Die A100 ist der B3 absolut vorzuziehen, da sie klanglich identisch und kein externes Lautsprecherkabinett nötig ist! Und wer will, kann sich sogar nachträglich ein Leslie einbauen lassen... darum: pro A100!

  • HL
    Hauke Laging

    Koalitionsverträge werden von Parteitagen verabschiedet. Jedenfalls normalerweise – ob das bei der SPD noch Sinn hat, nachdem sie einen SPD-freien Wowereit-Wahlkampf geführt hat, mag man hinterfragen.

     

    Deshalb sollten nur Parteitage entscheiden, welche Punkte zur Koalitionsfrage erhoben werden; und das auch nur nach ausreichender Diskussion in der Partei. Was ein Spitzenkandidat oder eine Spitzenkandidatin sagt, hat nicht dasselbe Gewicht.

     

    Übrigens wissen wir in Berlin ja inzwischen, dass Volksentscheide auch gegen den Willen des Senats möglich sind...

  • H
    Hans

    Wie es schon so schön in der Überschrift heißt:

    Hier geht es ums Prinzip!

     

    Die Stadt ist eh schon überlastet mit Verkehr, da muss man sowas nicht noch unterstützen. Es muss ein ganz anderes herangehen her, im großpolitischen Sinne.

     

    Ich fände es sehr bedauerlich, wenn die SPD sich durchsetzt...aber ich gehe leider davon aus. Verräterpartei halt!

     

    Ich rate den Grünen: Oben bleiben! Ideale hoch halten.

  • SH
    Siegfried Heim

    Bei der Podiumsdiskussion vor der taz-Genossenschaftsversammlung ging es um "Verrat"-Rufe als liebstes Spiel unter Linken. Selbst die Reinsten der Reinen, die fundamentalistischen Wächter, die alle anderen des Arbeiter-, Friedens-, Umweltverrats bezichtigen, haben auch schon mal ein heiliges Prinzip "verraten". Nur wer nix tut, kann nix falsch machen. Also Ihr Kritiker der Elche: Lasst doch rechte Sozialdemokraten und rechtspopulistische CDU'ler regieren - ein wirklich super Rezept, um es den umwelt-, friedens- und sozialgefährlichen Kapitalisten mal so richtig zu zeigen. Chapeau an die "Verrat"-Schreier!

  • EA
    Enzo Aduro

    @eva

    Sie übertreiben maßlos. Raus aus dem Schützengraben! Es gibt Simulationen und Argumente das es zu mehr und das es zu weniger Verkehr führt.

     

    Mein Tip: In Kreuzberg führt es zu weniger, in Friedrichshain zu mehr.

    Die jetzige A100 heißt Skalitzer Straße!

  • A
    Alejandro

    Eines ist sicher: wenn Wowereit sich auf eine Koalition mit der CDU einlässt und der Bau der A 100 beschlossen wird ist der Ärger wenigstens hier im Friedrichshain vorprogramiert und ich nehme auch an in Neukölln, Kreuzberg und Treptow. Wir würden Wowi das Regieren sehr erschweren denn das haben wir wirklich nicht gewollt. Eine große Koalition und der Bau der A 100 wäre ein Verrat an die Mehrheit, die in Berlin links gewählt hat und sich direkt oder indirekt sich gegen die Autobahn ausgesprochen hat. Dieser Weg könnte Wowereit politisch erledigen und das sollte er nicht unterschätzen.

    Wenn es dazu kommt gehen wir auf die Straße und singen "wer hat uns verraten?...die Sozialdemokraten!"

  • L
    Lars

    Ich würde überhaupt nicht mit den Grünen verhandeln sondern gleich mit der CDU. Irgendwo las ich, es könnte noch knapper werden mit den Stimmen, weil in Lichtenberg falsch ausgezählt wurde. Damit würde jede Abstimmung, für Wowi zum "Russisch Roulette". An Wowis Stelle würde ich mir das nicht geben.

  • I
    imation

    Ihren Kommentar hier eingeben:

     

    Na wenn sich die SPD von den Grünen die A100 ausreden lässt dann ist die SPD ja ihrem Motto trau geblieben:

    Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!

  • E
    eva

    Nein, mit der A100 würden keine Autos aus bewohnten Straßen "verschwinden", sondern viele Autos neu hinein in die Innenstadt und die Umweltzone hinein gelenkt, die dort vorher nicht fahren.

    Wenn Sie sich die geplante Trasse anschauen, werden Sie sehen, dass sie am Treptower Park verendet, Elsenstr., Kungerkiez, Friedrichshain und Kreuzberg werden in Lärm und Abgasen versinken, denn am Ende des neuen A100-Stummels wird ein Dauerstau sein, auch wenn etliche der angeblich "entlasteten" Straßen wie die Am Treptower Park im Zuge des Autobahnbaus um mehrere Spuren erweitert werden.

    Die A100 ist ein Projekt aus der Mottenkiste der 40er Jahre, als Beton gleich Fortschritt war, und nicht nur die Grünen, sondern auch die Linken, die Piraten und die Hälfte der SPD will sie nicht.

    Wer die A100 weiterbauen will, ist nur der rot-schwarze Filz der 70er Jahre - zukunftsfähig ist das nicht!!!

  • W
    Wowereit

    So ist's recht - Kompromisse in Koalitionsverhandlungen sind gleichzusetzen mit den Schüssen eines Erschießungskommands! Wie immer sehr feinfühlig, die taz! Da können wir die Grünen ja gleich zusammen mit den Mauerschützen in den Knast stecken, falls sie koalieren.

  • D
    Domenq

    Auch elektrische Autos sind Autos.

    Mit der A100 würden sehr viele Autos aus "bewohnten Straßen" verschwinden.

    Man kann niemanden in die U(ntergrund)-Bahn zwingen. Ich bekomme dort Angst-Zustände...

  • EA
    Enzo Aduro

    Beim Wahl-o-mat gibt es 8 Thesen bei denen die Grünen und die SPD auseinanderliegen, also die eine dieser These zustimmt die andere dies ablehnt. Die A100 hier zu überhöhen, scheint mir eher was damit zu tun zu haben das Künast als Bundespolitikerin ein Projekt braucht, mit denen Sie auch in Schwaben oder Niedersachsen Grüne Wähler ziehen kann.

     

    Die acht Punkte sind: (G=Grüne; S=SPD)

     

    *Mediaspree kippen (G+/S-)

    *Anhebung der Grunderwerbssteuer (G+/S-)

     

    *Grundständigen Gymnasien abschaffen (G-/S+)

    *Senkung der Hürden für Volksentscheide (G+/S-)

     

    *A100 bauen (G-/S+)

    *Mehr Geld für soz. Wohnungsbau (G+/S-)

     

    *Sprachtests im Vorschulalter (G-/S+)

    *ALGIIlern Bezüge kürzen wenn die Job ablehnen (G-/S+)

     

    Gut manches ist Bundespolitik und daher nur Bundesratrelevant.

  • I
    Ingo

    Bloedsinn. Auf wichtige Prinzipien soll man natuerlich beharren, aber bitte, hier geht es um den Bau einer kurzen Autobahnstrecke. Das mag sehr aergerlich sein, ist aber sicher kein Weltuntergang. Zudem haben Berliner Waehler mehrheitlich fuer Parteien gestimmt, die den Bau befuerworten. Das heisst natuerlich nicht, dass die Mehrheit der Waehler auch den Bau selbst unterstuetzt, aber zumindest scheint ihnen das Anliegen nicht wichtig genug zu sein, eine Partei zu waehlen, die sich explizit dagegen ausspricht.

     

    Der Vergleich mit dem Erschiessungskommando hinkt. Zum einen ist er wegen der Ernstheit verfehlt, zum anderen macht es halt schon einen Unterschied, ob man mitregieren und dabei andere Herzensangelegenheiten umsetzen kann, oder, ob man zuschaut, was ein grosse Koalition anrichten wird.

     

    Wenn man sich beim Bau der A100 nicht durchsetzen kann, sollte man versuchen diesen Punkt so teuer wie moeglich zu verkaufen. Ja, manche Anhaenger werden einem das uebelnehmen, aber solange man sich nicht vom Koalitionspartner uebervorteilen laesst, bleibt man sich eher treu, als sich total zu verweigern.

  • Y
    yberg

    der herr alberti sollte daran denken,daß nur aus einem gewehrlauf der tödliche schuß erfolgt,die andern gewehre mit platzpatronen geladen sind.

     

    ein doppelt doofer unpassender erschießungskommando vergleich.

     

    im übrigen ist den grünen schon länger die glaubwürdigkeit abhanden gekommen.sie agieren bereits ungeniert..trittin spricht von wählerverrat

  • HH
    Hans Höfer

    Die Grünen werden folgendes tun: Sie werden in sich gehen, sie werden mit sich ringen, sie werden hin- und herdiskutieren, sie werden leiden. Und schließlich zur A100 zustimmen. Im Gegenzug gibt's dann irgendwo einen Fahrrad- und einen Zebrastreifen mehr. Und wenn das bald passiert, so ist es auch in vier Jahren vergessen.

  • EA
    Enzo Aduro

    Was für ein fundamentalistischer Quatsch.

    Wer derart kompromissunfähig ist braucht nicht in die Politik zu gehen. Bei Westerwelle war das anders. Er wollte Schwarz-Gelb. Und hat darauf gespielt um es später zu erhalten. Abgesehen war Schwarz-Rot aus FDP Perspektive nicht schlechter als die Ampel. Aber was -um es in die Gegenwart zurück zu übertragen- die Grünen? Wollen die in 5 Jahren alleine den Bürgermeister stellen? Wer weiß was in 5 Jahren ist. Vielleicht sind die Grünen da wieder bei 11%, oder bei 8%.

     

    Die A100 wurde so überladen, um die entsprechende Klientel zu mobilisieren. Die Anhänger der Grünen hätten nicht nur die A100 an der Backe, sondern auch die CDU.

     

    Man sollte ein Volksentscheid machen. Oder was anderes. Ein paar Tempo 30 Zonen oder so.