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Kommentar Rot-GrünVerschobene Machtbalance

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Stuttgart ist für die SPD eine historische Zäsur. Dort sind die Sozialdemokraten erstmals bereit, Juniorpartner der grünen Partei zu werden.

D ie politische Landkarte der Bundesrepublik wird sich 2011 rot-grün färben. Hamburg und Rheinland-Pfalz, Bremen und Nordrhein-Westfalen werden dann fast sicher rot-grün regiert, in Baden-Württemberg und Berlin ist dies gut möglich. Allerdings wird es keine Wiederauflage der Schröder-Fischer-Ära geben: Es gibt keinen Hauch eines historischen Projekts, keinen Glanz und, vor allem für die Grünen, auch weniger Grauen. Die Machtbalance hat sich verschoben. Keiner ist Koch, keiner Kellner. Man wird eher, für eine Zeit lang, zusammen ein paar Restaurants führen.

Das liegt vor allem am Niedergang der SPD. Die Sozialdemokraten sind, unwillig und unter dem Druck der Verhältnisse, dabei, die Wirklichkeit anzuerkennen. Sie verabschieden sich zögernd von der Illusion, die einzige linke Volkspartei zu sein, die lästigerweise mit Klientelparteien wie den Grünen koalieren muss. Der arrogante Tonfall Richtung Grüne ist bei den Sozialdemokraten nicht verschwunden, aber viel leiser geworden. Außerdem ist in der SPD die Atom- und Kohlelobby, die den Grünen in NRW das Leben schwer gemacht hat, auf dem Rückzug.

Das Symbol für die grundlegende Veränderung im rot-grünen Binnenklima ist Stuttgart. Dort ist die SPD bereit, Juniorpartner der Grünen zu werden. Für die SPD ist dies eine historische Zäsur. Sie gibt damit faktisch den Anspruch auf, das Gemeinwohl zu repräsentieren. Das tut sie, weil sie es muss, denn sonst könnte sie gleich als Wahlkampftruppe bei Mappus anheuern. In Sachsen-Anhalt weigert sich die SPD noch, Juniorpartner der Linkspartei zu werden. Diese Halsstarrigkeit wird ihren Niedergang aber nur noch beschleunigen.

Dabei hat der rot-grüne Wiederaufstieg etwas Zufälliges: Er ist das Ergebnis der Schwäche von Schwarz-Gelb, ein Reflex des Zusammenbruchs der FDP, nicht Lohn für eine überzeugende gemeinsames Idee. Ob Rot-Grün mit seiner Macht im Bundesrat Merkel aggressiv blockieren wird, das ist noch offen.

taz

STEFAN REINECKE ist Redakteur im Berliner Parlamentsbüro der taz.

Klar ist aber, dass der rot-grüne Aufstieg in den Ländern das Ergebnis der Bundestagswahl 2013 nicht vorwegnehmen wird. Dort ist eine rot-grüne Mehrheit eine Illusion. Vielleicht hilft der Blick nach NRW, wo schon zweimal, 1966 und 1995, Modelle für den Bund ausprobiert wurden. Dort regiert Rot-Grün, faktisch von der Linkspartei toleriert. Das kann - angesichts einer nur bedingt regierungsfähigen Linkspartei - eine Lösung sein.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

3 Kommentare

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  • W
    Waage

    @ HP Remmler

     

    Ich!

     

    Ich kann mir kaum vorstellen, wie die SPD es vor ihrer Basis (ja die gibt es auch noch!) begründen will, dass sie aus Angst vor den Grünen der CDU auf den Schoß krabbelt.

     

    Absolut undenkbar ist deine Prognose zwar nicht (bei der SPD ist prinzipiell immer mit Allem zu rechnen) aber ich halte einfach mal dagegen weil ich manchmal einfach nur glaube, was ich auch glauben möchte!!!

  • H
    Hann0s

    Das die SPD eher Juniorpartner einer großen Koalition wird als etwas visionär zu sein, hat sie doch in Thüringen bewiesen. Korrupte alte Beamte vertragen sich untereinander halt einfach gut. Die Grünen sind zwar mit einer ähnlich großen moralischen Flexibilität gesegnet wie die Volksparteien, dabei aber deutlich eloquenter und jünger, was einfach sehr unbequem ist. Von BWL-Yuppies denen ihr Bestechungsgeld niemals genug ist von der FDP mal ganz ab.

  • HR
    HP Remmler

    Vergessen Sie's.

     

    In Baden-Württemberg (und nicht nur dort) wird es eine große Koalition geben, ganz egal, ob die SPD vor oder hinter den Grünen landet. Die ironische Frage, ob denn die Bezeichnung "große" Koalition denn noch Substanz habe, werden die Sozis wesentlich leichter ertragen als die Juniorpartnerschaft unter (!) dem früheren Kellner.

     

    Die CDU kann in Baden-Württemberg auch einen Besenstiel als Spitzenkandidaten aufstellen (was sie ja mit Öttinger schon mindestens ein Mal getan hat) und wird dennoch die Wahl gewinnen, und wenn die SPD vor der Wahl steht, Mappus ins Gedärm zu kriechen oder "Juniorpartner" der Grünen zu werden, steht das Ergebnis jetzt schon fest. Hauptsache, es ändert sich nix, oder doch so wenig wie möglich.

     

    Natürlich wäre es nett, wenn die Grünen wirklich 20 Prozent oder mehr schaffen würden, und noch schöner wären "Fast Drei Prozent" für die F.D.P., aber am Ende wären es nur Randnotizen.

     

    Wettet jemand dagegen?