Kommentar Roma Frankreich: Schöner abschieben
Nun hat auch Hollandes Linksregierung das „Roma-Problem“ entdeckt, Lager werden geräumt. Was anderes fällt ihr nicht ein.
N achdem François Hollandes Vorgänger Nicolas Sarkozy mit der Jagd auf Roma ein Exempel für seine verschärfte Sicherheitspolitik statuieren wollte, war es um diese Einwanderer aus Rumänien und Bulgarien ziemlich still geworden. Dabei ist die Frage ihrer Aufnahme in Frankreich keineswegs gelöst.
Verschämt überging man die Existenz der slumartigen „Bidonvilles“ am Stadtrand. Mit Räumungen von Roma-Lagern in Paris, Lille und Lyon in diesem Sommer hat sich die französische Linksregierung das Thema nun selbst auf die Tagesordnung gesetzt. Weil Innenminister Manuel Valls letztlich nichts anders macht als vorher seine Amtskollegen unter Sarkozy, sorgt er bei seinen sozialistischen Parteikollegen und grünen Koalitionspartnern für empörtes Kopfschütteln.
Die Regierung geriet in Zugzwang und kündigte subito eine umfassende Revision der Roma-Politik an. Diese soll Hindernisse beim Zugang zum Arbeitsmarkt beseitigen, die beim EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens aus Angst vor einer Invasion aus dem Osten in Kraft gesetzt worden waren.
ist Frankreich-Korrespondent der taz.
Natürlich wird die Diskriminierung der Roma bei der Beschäftigung damit nicht aus der Welt geschafft. Nur kann die Pariser Regierung die Roma mit einem etwas besseren Gewissen weiter abschieben oder aus notdürftig errichteten Camps vertreiben. Sie möchte ihnen jedoch bei jeder Räumung eine menschenwürdige Unterkunft anbieten.
Das bleibt aufgrund des Wohnungsmangels ein frommer Wunsch. Genau so wie die Ankündigung der Regierung, sie wolle entschieden gegen die kriminelle Ausbeutung Minderjähriger durch Bettelei, Diebstahl und Prostitution vorgehen. Die Vorschläge bleiben ernüchternd konventionell. Selbst mit gutem Willen kann Frankreich das Problem nicht alleine befriedigend lösen.
Die Integration der Roma bleibt eine Aufgabe für ganz Europa, für die sich die Herkunftsländer (vorab Rumänien und Bulgarien) und die westlichen Zufluchtsstaaten nicht länger die Verantwortung zuschieben dürfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CDU will „Agenda 2030“
Zwölf Seiten rückwärts
Altkleider-Recycling
Alte Kleider, viele Probleme
Israelische Angriffe auf Gaza
Können Journalisten Terroristen sein?
Verteidigung, Trump, Wahlkampf
Die nächste Zeitenwende
Weidel-Musk-Talk auf X
Kommunisten-Hitler und Mars-Besiedlung
Julia Klöckner löscht AfD-Post
CDU bietet „was ihr wollt“